Reisebericht Uruguay - Argentinien

29.09. - 31.10.2014 Montevideo (Paraiso Suizo) - Buenos Aires - Balneario El Condor - Península
                                     Valdés - Punta Ninfas - San Carlos de Bariloche
Reisetag, 29. September 2014
Wenn der Wurm drin ist, frisst er sich durch!
Die Air France streikte bereits die zweite Woche. Wir mussten um- buchen und fanden erst vier Tage später einen Flug nach Monte- video. Die Delta Airlines bot uns noch zwei Plätze über New York, Sao Paulo nach Montevideo an. Regine forderte noch eine Ent- schädigung bei der Air France für den annullierten Flug. Zurzeit warten wir noch auf ein Angebot der Fluggesellschaft. Mit drei Gepäckstücken stehen wir beim Check-in. Theo mit seinem Bruder Peter brachte uns das Sperrgut-Gepäckstück, zwei Dachfenster für unseren Camper, zum Flughafen.  Meine Schwester Hanni und Regines Bruder Martin begrüssten uns ebenfalls herzlich in der Abflughalle. Tja, wenn auch noch beim Start zur 6.Reiseetappe immer noch Geschwister und Verwandte uns die besten  Glückwünsche auf die Reise mitgeben, ist das für uns etwas Besonderes. Allen einen herzlichen Dank!
Das grosse Gepäckstück konnten wir problemlos aufgeben, die zusätzlichen 20 kg kosteten rund 70 Franken. In den vergangenen Jahren haben wir das grosse Dachfenster (80x60 cm) übermässig strapaziert. Die Öffnungsmechanik, das Fliegengitter und die Verdunklung waren Schrott und die grosse Acrylglasscheibe hatte mehrere Risse. Das kleine Dachfenster hat uns der Patagonische Wind auf der letzten Reiseetappe weggeblasen und das selbstgebastelte Fenster war nur eine Notlösung. Wenn die beiden Dachfenster heil in Montevideo ankommen, gibt es zuerst ein bisschen Arbeit.
Nach einer kleinen Kaffeerunde nahmen wir Abschied mit herzlichen Umarmungen von unserem „Fan Club“. Um 13.40 hob die Maschine in Zürich Kloten ab. Zum Glück wussten wir nicht, was in den kom- menden 60 Stunden auf uns zukam. Auf dem 8 ½  stündigen Flug nach New York bewirtete uns die sehr freundliche Crew fast pausen- los. Der Start war geglückt! Wir ordneten unsere Reisepläne zur 6. Etappe hoch über dem Atlantik. Beim Transitdurchgang auf dem JFK-Flughafen erlebten wir zum ersten Mal einen Ganzkörper-Scanner, wobei auch alle Taschen der Hosen nach aussen gekehrt werden mussten. Tja, wenn das so weitergeht, werden wir beim nächsten Flug in der Unterwäsche gescannt.

Wenn der Reisewurm drin ist, steht alles still!
Wir sitzen vor dem Gate B35 und haben genügend Zeit bis zum Ab- flug nach Sao Paulo um 21.20 Uhr. Das zusammengewürfelte, abge- hakte CNN-TV-Programm war nicht berauschend, und bot keinen Anlass vor dem Gate zu warten. Alle Sitzplätze rund ums Gate B35 sind belegt, einige haben sich auf der Bordkante des langen Lauf- bandes, das am Gate B35 vorbeirauscht, gemütlich eingerichtet. Die Cockpit-Crew macht sich an die Arbeit und passiert das Gate. 30 Minuten vor Abflug ertönt im Lautsprecher die Meldung, dass es ein technisches Problem mit der Lüftung im Flugzeug gibt. Die Boarding-Crew vertröstet die Fluggäste mit dem Hinweis, dass es 5 Minuten oder eine Stunde dauern könnte. Als der Abflugtermin bereits eine Stunde im Rückstand liegt, werden die Fluggäste vor dem Gate verpflegt. Für unseren Anschlussflug von Sao Paulo nach Monte- video schwindet die Chance. Die Panne am Flugzeug konnte auch nach Mitternacht nicht behoben werden und viele Fluggäste begannen mit den Umbuchungen der Anschlussflüge. Tja, eine technische Panne und die Flugwelt steht Kopf und kommt ins Rotieren. Die Verantwortlichen waren bemüht, für alle eine gute Anschluss-Lösung zu finden. Für den zusätzlichen Flug am nächsten Morgen musste die Delta Airlines zuerst eine neue Crew finden. Inzwischen ist es eine Stunde nach Mitternacht und die Lüftungspanne konnte noch nicht behoben werden. Die Fluggäste werden mit Taxis in die um- liegenden Hotels verfrachtet und so können wir um 02.00 Uhr  im Radisson einchecken. Im grossen Zimmer geniessen wir eine Dusche und stellen den Wecker auf 07.00 Uhr. Fünf Stunden Schlaf auf kosten der Fluggesellschaft.
Mit dem Hotel Bus geht es um 07.30 zurück zum Flughafen. Am Terminal 4 gibt’s eine erfreuliche Nachricht. Der Flug von gestern Abend um 21.20 Uhr geht heute Morgen um 09.20 Uhr. Nur 12 Stunden später, für uns kein Problem. Um 11.20 Uhr sitzen wir im Flieger, der sich langsam füllt. Der Blick auf den JFK- Flughafen zeigt ein düsteres grau. Die Chancen, dass der Flug 471 realisiert wird, stehen gut. Seit wir 2008 das „Open-End-Reisen“ entdeckt haben, ist dies das erste Mal, dass wir mit Flugzeugpannen und Streiks konfrontiert werden. Wir nehmen es locker auf dem Flugzeughocker. Für unseren Anschlussflug von Sao Paulo nach Montevideo haben wir eine Reservation bekommen. Der  10-stündige Flug von New York nach Sao Paulo müssen wir verdienen. Mit nur zwei Stunden Verspätung rollt die Maschine zur Startpiste. Endlich sind wir in der Luft!
Dienstag, 30. September 2014  Sao Paulo
Um 21.45 erblicken wir das riesige Lichter- meer der Grossstadt Sao Paulo durch das kleine Flugzeugfenster. Für den Anschluss- flieger um 22.00 Uhr nach Montevideo reicht die Zeit nicht mehr. Beim Gate-Ausgang steht eine sehr nette Angestellte von Delta Airlines, in der Hand den gelben Zettel mit der Aufschrift „Interrupted Travel for Müller Regina und Walter“. Sie brachte uns per- sönlich ins „Fast-Sleep-Hotel“ Salviero, das einen Stock höher liegt, als die vielen Gates. Ein kleines, einfaches Hotel im Transitbereich. Die Gutscheine für Nachtessen und Frühstück überreichte sie uns mit dem Hinweis, wo wir uns Verpflegen können. Wir sind froh, nicht die Gepäck- und Personen- kontrollen nochmals passieren zu müssen. Dass unsere Gepäckstücke am nächsten Morgen mit unserer Maschine um 10.25 Uhr nach Montevideo mitkommen, versichert uns die Angestellte gleich zweimal. Sie entschuldigte sich für die Pannen und Verspätungen und wünschte uns eine angenehme Nachtruhe. Die Übernachtung im Transitbereich ist für uns eine gute Lösung. Sie erspart uns die Taxifahrt und Hotelsuche in der Grossstadt Sao Paulo. Welche Überraschungen  warten noch auf uns in der letzten Flugetappe nach Montevideo?
Mittwoch, 1. Oktober 2014 vormittags Abflug in Sao Paulo
Im kleinen Restaurant „Toujour“  gibt es ein Sandwich und Mineral- wasser für den Breakfast-Bon. Im Starbocks-Coffee wollten wir uns noch einen feinen Kaffee und ein Gipfeli gönnen, dafür brauchten wir aber ein paar Brasilianische Reals. Die junge Frau, die am Wechsel- schalter direkt neben dem Gate sitzt, macht uns auf die „Tax“ aufmerksam. Unsere 30 US Dollar würden beim Wechseln 12 US Dollar Taxen und Spesen verursachen. Sie schreibt diesen Betrag auf einen kleinen Zettel und schiebt diesen unter der Glasscheibe durch. Also kein Sprachmissverständnis! Tja, für uns ist ein solcher Geldwechsel schlicht nicht nachvollziehbar! Und so kann uns das Starbocks-Coffee weder Gipfeli noch Kaffee verkaufen. Muss ja auch nicht sein.
Um 08.30 Uhr holt Regine noch zwei neue, aktuelle Boardingkarten am Gate Eingang ab und kommt mit der Bestätigung zurück, dass unsere drei Gepäckstücke mit dem Flieger mitkommen. Wenn wir Glück haben, erreichen wir im Laufe des Nachmittags Paraiso Suizo, wo unser Camper steht. Somit zählt unsere Flugreise von Bern nach Uruguay gute 60 Stunden!
Keine Überraschung für uns war, dass in Montevideo nur unser alter Koffer auf dem Gepäckband lag, das Sperrgut-Gepäckstück mit den Dachfenstern und Regines Reisetasche blieben irgendwo auf der Strecke. Der Papierkrieg um unsere fehlenden Gepäckstücke ist rasch erledigt. Wir wer- den benachrichtigt, wenn sie am Flughafen in Montevideo eintreffen. Mit dem Cot-Erstklass-Bus fahren wir auf der Interbalnearia zu km 77.5, wo Heinz mit dem Pickup auf uns wartet. Wir werden von Silva und Heinz im Paraiso Suizo ganz herzlich empfangen. Wir sind froh, unsere längste Flugreise beenden zu können und geniessen mit Heidi und Richard aus Deutschland, und Silva und Heinz im Paraiso Suizo ein feines Nachtessen.
Drei Tage später können wir die fehlenden Gepäckstücke im Flug- hafen Montevideo abholen. Am Zoll gibt es keine Probleme, wir dürfen die beiden Dachfenster zollfrei einführen. Jetzt können wir endlich tätig werden und die notwendigen Arbeiten auf dem Campingplatz ausführen. Mit Hilfe von Heinz und Silva, die uns Termine in der Garage und in der Pneu-Werkstatt organisieren, nehmen wir die Arbeiten pannenfrei in die Hand. Die alten Dachfenster werden ausgebaut, die Neuen fachgerecht montiert.
In der Garage lassen wir die beiden grossen mitgebrachten Stahlplatten zur Verstärkung am Fahrgestell-Rahmen anschweis- sen. Eine zusätzliche Sicherheit für die schlechten Wellblech- und schlaglochüppigen Naturstrassen. Vor über zwei Jahren haben wir die letzten Pneus gewechselt, jetzt sind wieder vier Neue fällig. Der sehr raue Teerbelag und die vielen Naturstrassen beanspruchen entsprechend Gummi. Im Gegensatz zu den Einheimischen wech- seln wir die Pneus solange das Profil noch sichtbar ist. Dass unsere alten Pneus wieder verkauft werden, versteht sich. Solange kein Gewebe sichtbar ist, wird gefahren.
Mit einem feinem Raclette und den selbstgemachten Meringues von Silvia geniessen wir den letzten Abend im Paraiso Suizo. Der Abschied fällt uns nicht leicht. Hier fühlen wir uns wie zu Hause. Mit Agnes aus der Schweiz, die in der Nähe von Heinz und Silvia in einem schönen grossen Haus lebt, mit Heidi und Richard und den sehr gastfreundlichen, hilfsbereiten Paraiso Suizo Besitzern geniessen wir am Abend die schönen Stun- den, wie in einer grossen Familie. Herzlichen Dank für Alles!

Nach 9 Tagen nehmen wir ein letztes herzliches Lachen und eine liebevolle Umarmung entgegen und machen uns auf den Weg nach Montevideo zur BuqueBus-Fähre. Sie bringt uns in 2 ¼ Stunden über den Rio de la Plata nach Buenos Aires. Die Fähre „Juan Patricio“ mit einer Länge von 70 Metern und einer Breite von 20 Metern nimmt 450 Passagiere und 58 Auto mit. Mit 50 Knoten (92,6 km/h) gehört sie zu den schnellsten Fähren der Welt. Wir sitzen für einmal in der Firstclass und machen es uns bequem im breiten Ledersessel. Die 6. Reiseetappe beginnt! 
Übrigens, der Streik der Air France Piloten hatte für uns nicht nur Unannehmlichkeiten beschert. Die Umbuchung und der Flug mit der Delta Airlines wurde von Air France übernommen und hat uns keinen Cent gekostet. Mit einem Mail hat uns die Fluggesellschaft benach- richtigt, dass sie nach den EU-Richtlinien einen vierstelligen Betrag auf unser Konto überweisen. Damit können wir in Argentinien ein paar Wochen reisen!
Balneario El Condor – dort wo die Papageien flirten!
Auf direktem Weg fahren wir in den Süden Richtung Mar del Plata, Bahía Blanca nach Balneario El Condor. Unterwegs entdecken wir gewaltige Vogelschwärme, die in den Süden unterwegs sind. Wie eine fliegende, grosse Perlenkette zeichnen sie Figuren in den blauen Himmel. Im sehr kleinen Ort Balneario El Condor, ca. 25 km südlich von Viedma, fliesst der grosse Fluss Rio Negro in den Atlantik. Jetzt sind wir zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Die grossen Papa- geien-Schwärme an der langen Steilküste zeigen pausenlos ihre Flugkünste. Das Gekreische der farbigen Vögel ist auf Dauerbetrieb eingestellt und kennt kaum eine Nachtruhe.
Die Tafel mit der Aufschrift: „The largest Colony of Parrots oft the World“ steht in der Nähe der durchlöcherten Klippe. Entlang der 12 Kilometer langen Küste treffen sich alle Jahre etwa 35'000 brütende Papageienpaare. Jetzt im September / Oktober kehren die Parrots-Paare zurück und suchen die gleiche Nisthöhle vom letzten Jahr auf. Im Oktober legen die Weibchen zwischen einem und fünf Eier. Im November schlüpfen die Jungen innerhalb von zwei Tagen. Im Dezember füttern die Eltern ihren Nachwuchs während 63 Tagen. Ende Januar verlassen die Jungen ihre Nester. Jetzt Mitte Oktober wird fleissig geflirtet und mit vielen akrobatischen Flugeinlagen im Küstenwind auf sich aufmerksam gemacht.
Die lange, senkrechte Küstenfelswand ist mit vielen Tau- send Löchern durchsiebt. Grosse Papageien-Schwärme stürzen wie auf Kommando von der Felswand, zeigen ihre Flugakrobatik im laminaren Aufwind, um dann wieder in ihren Nesthöhlen zu landen. Ein grossartiges Naturschau- spiel mit nie endendem Papageien-Sound. Am späten Nach- mittag liegt die Steilküste im Schatten und die Flut nagt unentwegt an der Felswand. Tags darauf, nach dem Früh- stück um 07.00 Uhr, stehen wir ganz alleine vor der mächtigen Küstenfelswand. Die Ebbe hat einen breiten Sandstreifen freigegeben und wir können am Strand entlang wandern. Die aufgehende Sonne beleuchtet die Felswand in einem braun-roten Farbton. Über uns kreisen, mal tief mal hoch,  Hunderte von farben- prächtigen Parrots. Ihre Geschwindigkeit in der Luft ist sehr schnell und zum Fotografieren eine echte Herausforderung. Heute Morgen gehört der Strand uns und den Abertausen- den Parrots, die sich hier fortpflanzen. Tja, es lohnt sich wirklich, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein!  
Blick auf die Bartenwale von unserem  Camper aus.
Im Golfo Nuevo treffen sich die Bartenwale von Juli bis Mitte Dezember. Die riesige Meeresbucht wird geformt durch die Halbinsel Valdés, der Küste um die Stadt Puerto Madryn, sowie dem südlichsten Punkt der Bucht Punta Ninfas. In den Monaten September / Oktober kann man hier die Bartenwale besonders zahlreich und sehr nah vom Strand aus beobachten. Von der Stadt Puerto Madryn, wo wir unsere Vorräte auftanken, fahren wir auf der Naturstrasse R42 der Küste entlang. Etwa 16 Kilometer später, nördlich vom Playa Doradillo, sehen wir die ersten Bartenwale. Mehrere Reisemobile haben sich auf  einer kleinen Anhöhe, ca. 40 Meter vom Meer entfernt, eingerichtet. Hier treffen wir auf Jean Pierre und Adrian, die wir bereits von Guatemala her kennen. Die beiden Globetrotter sind bereits seit 8 Jahren in Nord-, Mittel- und Südamerika unterwegs. Es gibt ein herzliches Widersehen und wir tauschen in den nächsten Tagen viele Reiseinfos aus.
Nach Angaben vom Ranger, so erzählt uns Jean Pierre, gibt es etwa 800 – 1000 Bartenwale rund um das Gebiet der Peninsula Valdés. Davon seien ca. 400 Jungtiere. Und tatsächlich sehen wir sehr viele Bartenwale mit ihren Jungen direkt vom Strand aus. In einem Ab- stand von ca. 30 - 40 Metern schwimmen sie bei Flut  gemächlich am Strand entlang. Selbst vom Sitzplatz unseres Campers können wir die prächtigen grossen Wale bestaunen. Die Bartenwale er- nähren sich von Plankton, das sie aus dem Wasser mit ihren Barten herausfiltern, und von Krill. Die grosse, waagrechte Schwanzflosse zeigt sich oft auf der Wasseroberfläche, hebt sich aber nur selten in die Höhe. Die beiden Nasenlöcher, welche weit hinten auf der Oberfläche des Kopfes angeordnet sind, erkennt man auch vom Strand aus gut. Durch diese atmen sie aus, was oft eine kleinere oder grössere Fontäne verursacht. Die erwachsenen Weibchen sind zwischen 13,5 und 16 Meter, die Männchen ca. 12,5 Meter, lang. Der Nachwuchs ist bei Geburt etwa 5,5 Meter lang und wiegt gegen drei Tonnen. Die Männchen wiegen ca. 30, die Weibchen gegen 35 Tonnen. Zahlreiche Mütter mit ihren Jungtieren tummeln sich nahe am Strand und zeigen ihre beein- druckenden Schwanzflossen. In der Ferne sehen wir auch Wale die aus dem Wasser springen und aufs Wasser klatschen. Tja, man muss vor Ort sein und das Naturschauspiel über Stunden und Tage bewundern. Wir bleiben vier Nächte am Strand und erleben die gesamte Wetterpalette.
Blauer Himmel und Sonnenschein wechseln ab mit Regen und starkem Wind. Auch der graue, bedeckte Himmel und eine raue See, die sich bei ruhigen Windverhältnissen in eine spiegelglatte Wasseroberfläche verwandelt, sind den grossen Meeressäugern schnuppe. Sie ziehen ihre Runden vor der Küste. In der Nach hören wir das Ausatmen durch unser „Schlafzimmerfenster“ und haben den Eindruck,  die Bartenwale schwimmen direkt an unserem Camper vorbei. Bei Sonnenaufgang stehen wir wieder am Wasser. Die Bartenwale zeigen ihre Silhouette in der aufgehenden Sonne im flachen Wasser. Die grossen und kleinen Wasserfontänen beim Ausatmen glitzern im Gegenlicht. Das Fotografieren der auf- und abtauchenden Tiere ist gar nicht so einfach, braucht viel Geduld und auch ein wenig Fotoglück. Tja, wann und wo taucht der Bartenwal wieder auf? In welche Richtung schwimmt er? Das Wasser im Golfo Nuevo ist ruhiger und wärmer als auf dem offenen Meer und für die Jungen ist die Meeresbucht eine grossartige Kinderstube. Die etwa 3625 km2 grosse Halbinsel Valdés ist seit 1999 UNESCO- Welterbe. Das Innere der Halbinsel ist eine trockene und heisse Steppenlandschaft mit Sträuchern und dürren Grasbüscheln.
Im März dieses Jahres haben wir die Halbinsel besucht und Nandus, Guanakos, Maras und Gürteltiere auf der Rundreise entdeckt. Doch  der Küste entlang wirkte die Halbinsel ein wenig ausgestorben. Tja, für die grossen, eindrucksvollen Tier-Highlights lohnt es sich wirklich zur richtigen Zeit am richtigen Ort ein paar Tage Ferien zu verbringen.


Punta Ninfas – dort wo der See-Elefantenbulle der Strandchef ist!
Auf einer staubigen Piste fahren wir von Puerto Madryn ca. 80 km zum südlichsten Punkt vom Golfo Nuevo. Der trostlose Leuchtturm auf Punta Ninfas ist mit vier Stahlseilen abgespannt, im Boden fest verankert,  damit ihn der starke Wind nicht von der Klippe fegt. Noch ein paar hundert Meter durch eine ausgewaschene, aufgeweichte, mit Furchen durchzogene Fahrrinne, und wir stehen an der senk- rechten Klippe. Wir blicken 80 Meter in die Tiefe und entdecken die ersten See-Elefanten am Strand. Etwas weiter draussen ziehen die Wale der Küste entlang.  Ein mässiger Wind bläst über die Ebene und das Wetter verspricht blauer Himmel und Sonnenschein für die nächsten zwei Tage.
So stellen wir unser Fahrzeug in respektvollem Abstand zur Steil- küste ab, so dass ein kräftiger Wind uns nicht von der Klippe fegt. Wir haben nämlich keine Stahlseile bei uns, um unseren Camper allseitig abzuspannen um am Boden zu verankern. Der Abstieg zum Strand ist typisch fürs Land,  und auch nicht jedermanns Sache. Doch einmal unten am Wasser, vergisst man den Abstieg und erfreut sich der grandiosen Tierwelt. Zahlreiche See-Elefantenbullen liegen in der Sonne während die Weibchen sich im Wasser tummeln. Ein Weibchen hat ein Junges zur Welt gebracht, kaum ein paar Tage alt.
Verschiedene Tiere haben massive Narben und Ver- letzungen, die von Revierkämpfen gegen andere Männchen stammen. Ihr Harem wird verteidigt und ihre Kampfspuren zeichnen sich rund um den Kopf ab. In sicherem Abstand, für uns heisst das aus ca. 5 Meter, für andere kaum 2 Meter, können wir die Giganten bestaunen. Die Männchen mit etwa 5-6  Meter Länge und einem Gewicht von ca. 2500 kg sind wirklich sehr gross. Die zahlreichen Seelöwen am Strand wirken wie kleine Babys im Vergleich zu den See-Elefanten.
Der Rüssel der männlichen See-Elefanten wird nur ausnahms- weise in die Luft gestreckt. Wenn er aber sein Maul öffnet, werden die langen, spitzen Zähne gut sichtbar und wir können erahnen, wie diese bei einem Revierkampf zum Einsatz gelangen. Das hinterlässt dann wirklich sichtbare Spuren von erstaunlicher Grösse. Jeder Bulle lebt mit seinem Harem in grossem Abstand zu seinem nächsten Rivalen. Es lohnt sich, hier ein paar Stunden am Strand entlang die fantastische Tierwelt zu entdecken und eine Nacht auf Punta Ninfas zu verbringen. Der wolkenlose Sternenhimmel verspricht uns, dass wir diese Nacht nicht vom einem starken Wind von der Klippe gefegt werden. Punta Ninfas sollte man nicht nach einem starken, längeren Regen aufsuchen. Die Gefahr, dass man in den tiefen Radspuren und Furchen nicht mehr wegkommt, ist sehr realistisch. Eingetrocknete Pistenabschnitte sprechen eine deutliche Sprache.
Quer durch Patagonien von Ost nach West
Betrachtet man auf der Karte die Nord- und Südbegrenzung der Provinz Chubut, zeigt sich, dass diese Provinzgrenzen  mit dem Lineal bestimmt wurden. Zwei gerade Striche unterteilen hier die Patagonische Wüste. Die Grenze auf der östlichen Seite wird durch die Atlantikküste, die der Westlichen durch die Landesgrenze zu Chile bestimmt. Wir verabschieden uns von Punta Ninfas, den See- Elefantenbullen und ihren Harems, und reisen über Trelew auf der RN 25 nach Westen. Bis zum kleinen Wüstendorf Las Plumas ist das weite Land flach und mit niedrigen Büschen und braunem Step- penboden bedeckt.
Hinter der Tankstelle gibt’s einen kleinen Camp-Platz, wo bereits zwei einheimische Reisemobile stehen. Nur ein paar Meter entfernt fliesst der Rio Chubut gemächlich dahin. Eine sehr ruhige Nacht ist uns garantiert, bis der Hahn am frühen Morgen seine Pflicht tut.
Die Provinz Chubut mit etwa 225‘000 km2 (5x grösser als die Schweiz) beherbergt gerade mal etwas mehr als 500‘000 Men- schen. Tja, hier gibt’s noch viel Platz…! Von Las Plumas führt die RN 25 dem Rio Chubut entlang. Jetzt zeigt die Patago- nische Wüste ein anderes Gesicht. Beidseitig der Flussland- schaft zeichnet sich ein schmaler Grünstreifen ab, der von Bäumen, Büschen und kleinen Feldern durchzogen ist. Mäanderförmig fliesst das ruhige Gewässer gegen Osten. In Paso de los Indios biegen wir auf die R12 ab, eine hervorragende Naturpiste, die dem Rio Chubut folgt.
Kurze Zeit später treffen wir auf Doris und Hans aus Zürich, die mit ihrem Fahrzeug Richtung Feuerland unterwegs sind. Mitten in diesem schönen Flusstal finden wir einen tollen Übernachtungsplatz. Bis nach Sonnenuntergang tauschen wir Geschichten und Infos aus. Etwas später stehen wir draussen in schwarzer, dunkler Nacht, über uns ein präch- tiger Sternenhimmel von erhabener Schönheit. Kein einzi- ges Licht bis zum Horizont beeinträchtigt den Blick in die Sterne. Kein Geräusch, kein Laut begleitet uns in den Schlaf. Die Patagonische Stille, für einmal ohne Wind, legt sich über uns.
Als die ersten Sonnenstrahlen die Fels- und Bergketten der Sierra Taquetrén erhellen, sitzen wir beim Frühstück. Die Sonne wärmt unseren Camper. Später verabschieden wir uns von Doris und Hans. Wir haben sie im März 2013 im Natur- reservat Colonia Carlos Pellegrini zum ersten Mal getroffen. Danke für die gemütlichen Stunden und die tollen Gespräche. Wir bleiben in Kontakt. Entlang dem Rio Chubut, der sich nun durch eine hügelige, farbige Gebirgslandschaft seinen Weg sucht, erreichen wir später den kleinen Ort Piedra Parada. Wir sind bereits auf 1000 Meter Höhe in der Sierra Huacache, wo wir einige sehr schöne Felsformationen bestaunen können. Die Naturstrasse kennt keinen Stau, pro Stunde begegnen uns kaum eine Handvoll Fahrzeuge. Wir lassen im Zeitlupentempo ein prächtiges Panorama-Land- schaftsbild an uns vorbeiziehen, als plötzlich ein kleiner Bewohner der Wüste weit vorne quer über die Gravelroad sprintet.
Ein Stelldichein mit dem Gürteltier!
Wir haben unterwegs in Patagonien schon einige Gürteltiere gesichtet, aber zu einem richtigen Foto- shooting blieb uns das Glück verwehrt. Bevor wir je- weils unsere Kamera in den Händen hielten, war der kleine, schnelle Wüstenbewohner in den Löchern oder unter den niedrigen Büschen verschwunden. Tja, diese einzigartigen Tiere können mit ihren kur- zen Beinen sehr schnell unterwegs sein. Doch heute ist unser Glückstag! 
Diese Chance wollen wir nicht verpassen. Wir lassen das Fahr- zeug stehen, laufen etwa 40 Meter der Strasse entlang, klet- tern über den Zaun auf der Suche nach unserem Fotosujet. Wo hat sich das Gürteltier versteckt?
Gut getarnt entdecken wir es neben einem dürren, kleinen Busch. Ruhig, ohne schnelle Bewegungen nähern wir uns dem Tier, das zu unserer Überraschung nicht davon rennt. Jetzt haben wir Zeit, dieses aussergewöhnliche Geschöpf in aller Ruhe zu betrachten und auf dem Chip zu speichern.
Für einmal sind wir nah dran. Obwohl das Gürtel- tier mehrmals den Standort wechselt, verlieren wir es nicht aus den Augen. Nur die Sonne steht meist nicht in gewünschter Position. Doch wir sind zufrieden und freuen uns über die ge- machten Aufnahmen.

Tja, der Monat Oktober 2014 hat uns mit dem harzigen Start zur 6. Reiseetappe ein paar Unannehmlichkeiten beschert, die wir aber locker wegstecken konnten. Dafür haben uns die vielen Papageien, die Bartenwale, die Seelöwen und See-Elefanten und ein sehr schönes Gürteltier reicht beschenkt. Auch die gross- artigen Küstenlandschaften und die Patagonische Wüste bleiben uns noch lange in guter Erinnerung! Nicht vergessen sind auch die schönen und wertvollen Begegnungen mit bekannten und neuen Reisenden unterwegs. 
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