01. - 15.06.2011 La Paz - Baja California Sur - La Paz
Mit dem ÖV - Bus unterwegs
Unser Campground liegt ca. 12 km ausserhalb der Stadt La Paz. Auf der Mex 1, der Hauptroute ins Stadtzentrum, machen wir Autostopp. Kaum eine Minute später sitzen wir auf der Ladefläche eines Pickups und lassen uns den Wind durch die Haaren streifen. Personentransporte auf den Ladeflächen gehören zum Alltag. Am Stadtrand steigen wir auf den Bus um, der ins Zentrum fährt. Das Umfeld des jungen Bus-Drivers ist faszinierend. Seine Sitzstellung ist so eingestellt, dass sein Knie bis unters Steuerrad reicht. Hinter der Gangschaltung liegt eine kleine Holzschachtel mit Münzen am Boden. Einsteigende werfen das Fahrgeld in die Schachtel, der Chauffeur wühlt im Münz, und gibt entsprechend Retourgeld zurück. Die zerdrückte Cola-Dose auf dem Boden, die dank dem Schalthebel ihre Position behält, kann ich noch keiner Funktion zuweisen. Mit Routine biegt der Fahrer mal links mal rechts ab, aber bei jedem Schalten ertönt aus dem Getriebeblock ein lautes Aufstöhnen, resp. Zahnräderstreit. Ja vielleicht fehlt ja wirklich das Kupplungspedal. Immer noch besser als wenn das Bremspedal fehlen würde. Der Blick zum  Chauffeur packt mich. Die Einheimischen fragten sich, was es hier wohl zu fotografieren gibt, das hier ist doch reiner Alltag. Irgendwo im Zentrum sagt unser Bauchgefühl es wird Zeit zum Aussteigen. Das Bild vom Busdriver habe ich in meinem Kopf gespeichert. Sein schalten, lenken, das Wühlen in der Münzbox, seine lockere Haltung hinter den Steuer, die seines Gleichen sucht. Und so dreht er weiterhin seine Runden in der Stadt, bis er eines Tages keinen Gang mehr einlegen kann…
In der grossen Bucht von Bahiá  de la Ventana fahren wir bis zum kleinen Dorf El Sargento. Ende Dorf erreichen wir eine  Naturstrasse, von dort noch zwei Kilometer weiter bis zum Leuchtturm. Wir blicken auf einen Traumstrand mit ein paar Sonnenschirmen, zwei alten Fässern als Abfallkübel und zwei Metalltürme. Auf dem rostigen Eisenturm liegt ein grosses Nest von einem Raubvogel, zurzeit ist es verweist. Der andere Turm dient als Leuchtturm. Sonst gibt’s keine Infrastruktur, ausgenommen die vielen Pelikane. Zum Glück haben wir genügend Wasser, eine Dusche und immer ein WC bei uns. Zahlreiche solche Strände gibt es auf der Baja, man muss nur wissen, wo sie sind und wie man sie findet. Die Bucht ist sehr populär bei den Windsurfern und Kitesurf-Fans.
Wir richten uns unter dem Sonnenschirm ein. Mit einem kühlen Bad im Meer bringen wir unsere Körpertemperatur wieder etwas runter. Wir schauen den Pelikanen und den Fregattvögeln bei ihren Flugkünsten zu. Ein Polizeifahrzeug dreht eine Runde am Strand, wir winken, die Beamten winken zurück und lachen. Ohne auch nur ein Wort zur verlieren drehen sie ab und fahren ins Dorf zurück. Das Übernachten ist gratis. Am Abend kommt noch eine Familie mit Kindern. Sie stellen zwei keine Igluzelte auf und spielen lange im Wasser. Traumferien zum Nulltarif, ausgenommen das Essen. Dies ist aber nur eine Seite der Medaille. Und die Rückseite?
Die Baja California zeigt sich ungezähmt und schön, abweisend und doch freundlich. Wer auf diesem heissen Flecken Erde der Natur seine Existenz abtrotzt, übersteht auch alles andere. Der mexikanische Regengott kennt erbarmen und lässt den südlichen Teil der Halbinsel erbarmungslos austrocknen. Die Dauersonne färbt den Himmel in ein dunkles Blau und zerstört an manchen Orten Pflanzen und Tiere. Einsamkeitsliebende sind hier am richtigen Ort. Auch wir geniessen die abgelegenen, unbekannten Orte. Doch wenn nach Tagen Wasser und Vorräte knapp werden, sind wir sehr froh, über Plätze mit minimaler Infrastruktur.
In Los Barriles liegt einer der schönsten Campingplätze der Baja. Die zahlreichen Bäume, Palmen und Büsche spenden viel Schatten. Ein kleines Schwimmbad unter Palmen und genügend Wasser für Pflanzen und Vögel erinnern kaum an eine Wüste. Nach tagelangem Freistehen nehmen wir gerne einen 5-Sterne Campground mit Komfort für ca. SFR. 20.-  pro Tag. Auffallend viele farbige Vögel suchen Schatten und Wasser in der grünen Oase. Zum Meer ist es ein Katzensprung, doch diesmal geniessen wir das Schwimmbad und das Sprudelbecken. Die etwa 60 Stellplätze sind kaum belegt, ein Ehepaar aus Kanada und wir sind die einzigen Gäste.
Als wir ins Office eintreten, erinnert uns die Temperatur an ein Tiefkühlfach. Ob wir eine Aircondition haben (wegen dem Stromverbrauch) erkundigte sich die Chefin. Zugegeben, zu dieser Jahreszeit hier unterwegs zu sein ohne Klimaanlage ist schon aussergewöhnlich. Dafür täglich seit Wochen nur  blauer Himmel und Sonnenschein ist auch nicht ohne. Drei Nächte verbringen wir in Los Barriles und ergänzen unsere Vorräte. Wir spazieren durch das Dorf und dem Strand entlang und lernen einen kleinen Ferienort kennen der im Sommer ausgestorben und im Winter Hochsaison hat.
Von Los Barriles reisen wir der Küste entlang über La Ribera,  Las Lagunas zum Parque Nacional Cabo Pulmo. Die Gravelroad  hätte wieder einmal einen „Grader“ nötig, das Wellblech zwingt uns zur gemütlicher Fahrt. Wir wollen auch die nächsten zwei Wochen ohne Pannen und Unfall rund um das südliche Kap fahren. Auffallend viele grosse Raubvögel und Geier sehen wir auf dieser Strecke. Oft sitzen sie auf den Saguaros-Kakteen und halten Ausschau. Zwar steht die Sonne wieder senkrecht über uns und man sollte das Fotografieren bleiben lassen. Langsam, in guter Deckung, sich den grossen Vögel nähern, den Finger immer am Auslöseknopf, macht es spannend. Wenn ich dann zum Fahrzeug zurückkehre kennt Regine meinen Spruch: „Es braucht ein 1000er Tele…
Einige Tafeln weisen an den Stränden auf die Eiablage der Meeres- schildkröten hin. Wir sind wieder einmal am richtigen Ort, aber zur falschen Zeit. Weiter südlich Richtung San José del Cabo werden die Villen und Residenzen zahlreicher. Wir kreuzen Wassertank-Lastwagen, die das kostbare Nass zu den Häusern bringen. Der Rund 30 km lange Korridor zwischen San José und Cabo San Lucas gleicht einem Küstenabschnitt von Italien oder Spanien, was den Strandbetrieb und die Hotels betrifft. Die grünen Golfplätze, die Privatstrände und die zahlreichen Residenzen sind besonders in den Wintermonaten sehr gefragt.  Beide Städte sind beliebte Feriendestinationen und mit einem Flughafen gut erschlossen. Im Hafen vor der hügeligen Landschaft liegen grosse und kleine Yachten aus aller Welt. Dutzende von Mexikaner reinigen und poliern die Luxusyachten auf Hochglanz.
Auf unserer Bootsfahrt zum berühmten Felsbogen El Arco erklärte der Kapitän, dass die  Bootsplätze im Hafen sehr teuer sind. Sie kosten 35 US Dollar im Tag. Er muss es wissen, denn täglich fährt er mit seinem kleinen Boot Touristen zur schönen Kapspitze. Er macht mit uns eine kleine Privatfahrt von knapp einer Stunde  und erzählt interessante Details. Wir gondeln vorbei am kleinen Sandstrand Playa Amor zum El Arco.  Der Naturbogen an der Kapspitze zeigt sich von erhabener Schönheit. Tausende von Jahren hat es gebraucht  um diese Skulptur zu gestalten. Wir nehmen Kurs Richtung Pazifik wo uns der Bootsführer auf den Strand „Playa del Divorcio" aufmerksam machte. Prompt gaben wir zur Antwort:"Dort müsse er nicht an den Strand fahren" und er lachte zurück.
Schnorchler und Taucher tummeln sich in einer geschützten Bucht. Nach unserer Rückkehr sehen wir auch zahlreiche farbige Fische im Hafen zwischen den Booten. Pelikane stehen auf  kleinen Schiffskuttern  und mustern die Touristen im Hafengelände. Das Wasser ist sehr klar und man sieht bis auf den Grund. Im Unterschied zu Europa sind hier alle Souvenirverkäufer weiss gekleidet und tragen einen Sombrero. Ob Kleider, Schmuck, Uhren oder Kopfbedeckungen aller Art, jeder möchte ein kleines Geschäft mit den Touristen machen. Der Wasser- und Glaceverkäufer ebenso, wie der Vermieter zahlreicher Wasserfahrzeuge. Die Freizeitaktivitäten halten den Strand und das Meer in Schwung. In der Hochsaison wird es hier auch heissen „Completo“, wie in Torbole am Gardasee.  
Bereits in der Nähe von unserem Camping ist der Strand fast menschenleer. Wir spazieren ca. zwei Stunden dem Stand entlang und unsere Fussabdrücke werden laufend von den Wellen geglättet. Ein pulsierender „Corredor“ zwischen San José und Cabo San Lucas. Er passt schlecht in die grenzenlose Einsamkeit der rund 1300 km langen Halbinsel. Dass hier aber tausende Mexikaner dank der Tourismus-Industrie einen Arbeitsplatz haben, ist auch nicht zu unterschätzen. Was wir an der südlichsten Spitze der Halbinsel entdecken, ist eigentlich nichts anderes, als einen winzigen Bruchteil aus dem Mittelmeerraum in Europa. Hier wie dort reihen sich die Liegestühle und Hotels in langen Reihen der Beach entlang.
Diese Halbinsel ist immer noch eine einzigartige, bizarre Urlandschaft, geschaffen von der Gluthitze und dem Meer. Die Schönheit der endlosen Kakteen- und Sukkulenten-Wäldern (wasserspeichernde Pflanzen), die ausgetrockneten Flussläufe und die menschenleeren Sandstrände prägen noch immer das Gesicht der Baja California. Einsamkeitsliebende und Allrad-Abenteurer sind auf der Suche nach den schönsten Plätzen. Mit etwas Glück und guten Tipps von Reisenden findet man auch heute noch sein Traumplätzchen. Als wir an der Pazifikküste Richtung Norden fahren weist uns das Schild „Rancho Carisuva“ zum Strand, wo wir wieder einmal so richtig im Sand "versoffen" sind.
Die Klippenfischer in der Abendsonne
Die „Rancho Carisuva“ bietet Reit- und Quad -Touren an. Aber es ist längst Feierabend und eine Handvoll Einheimische gehen in Stellung auf den Klippen zum Fischfang. Die mächtigen tosenden Wellen vom Pazifik donnern mit Getöse an die zerklüfteten Klippen und drohen die Fischer wegzuspülen. Fischen mit einem Adrenalinkick, ein sportliches, aber auch gefährliches Hobby. Zwischendurch halten sie sich an den Felsen fest, damit sie nicht weg gespült werden. Die mächtige Gischt spritz weit über ihre Köpfe hinweg, doch der Drang nach einem guten Fang ist stärker. Sie kennen ihre Leidenschaft und die Gefahren. Ich nähere mich bis auf ein paar Meter und schaue der speziellen Taktik  der Klippenfischer zu. Bei jeder grösseren Welle wird auch mein Fotoapparat nass und ich bin froh ein paar Meter höher zu stehen. Wir winken uns einander zu. Sie haben es im Griff, bei jeder grösseren Welle halten sie sich  rechtzeitig an den Felsen fest.
Langsam schiebt sich die Sonne der Felsenklippe näher und verwandelt den Horizont in ein leuchtendes Rot. Die Fischer verwandeln sich in dunkle Silhouetten. Ein unglaubliches Schauspiel mitten in der tosenden Brandung. Ich stehe mit Stativ und Tele am Wasser und schaue, dass mich keine Monsterwelle ins Meer hinauszieht. Das Spektakel erreicht ihren Höhepunkt, wenn die grosse Gischt Fischer und Sonne verdunkeln. Ich schaue durch den Sucher und hoffe, dass sie nach jeder grösseren Welle noch oben stehen. Atemberaubend, faszinierend!  Als es bereits dunkel war kehrten die Fischer  zurück. Die tosende Brandung begleitete uns in den Schlaf mit der Sicherheit, dass die Wellen unser Fahrzeug nicht wegspülen können. Ja, es gibt sie noch, die kleinen Orte, wo Mensch und Natur ihr Game spielen, wahrscheinlich über Generationen. Es lohnt sich, solche Orte zu entdecken.
Strassenbau zwischen Cabo San Lucas und San Pedro
Die Mex 1 wird ausgebaut. Wir passieren mehrere Baustellen vor und nach Todos Santos. Wir nehmen  uns Zeit und besuchen zwei Baustellen. Mehrere Brücken werden über breite Flussläufe erstellt. Sie sind alle seit Monaten ausgetrocknet. Doch die Landschafts- konturen zeigen deutlich, dass auch in dieser Gegend Flüsse und Bäche die Landschaft umgestalten und somit die Hauptstrasse in den Süden unpassierbar machen können. Mehrere Armierungs- eisen-Türme ragen aus den  Betonfundamenten, welche über den ausgetrockneten Fluss verteilt sind. Bauarbeiter in luftiger Höhe ohne jede Sicherung vervollständigen die Armierungseisen-Konstruktion. Alles ist Handarbeit aber auch Schwerarbeit. Aber wer hier einen Job hat, gehört zu den Glücklichen. Strassenbau schafft Arbeitsplätze, bringt Touristen. Die meisten Automobilisten ärgern sich über die Baustellen, wir parkieren vor Ort und gehen zur Baustelle. Nein, hier wirst du nicht weg gewiesen, im Gegenteil, ich winke ihnen zu und die Bauarbeiter winken zurück. Sie blicken voll Stolz in die Kamera und ich versuche ihr Handwerk festzuhalten.  
Die zweite Baustelle war ein Armierungseisen-Bearbeitungsplatz. Etwa ein Dutzend Bauarbeiter hantierten mit dem schweren Material. Hier wird jedes Eisen von Hand in die gewünschte Form gebogen, ob rund oder eckig. Knochenarbeit bei dieser Hitze. Die zylindrischen Armierungskonstruktionen werden am Boden mühsam zusammengebaut und da braucht es entsprechend Leute. Manche arbeiten noch ohne Handschuhe, nur wenige Tragen einen Helm. Hut oder Dächlikappe tuts auch!
Ein spielender Abschluss am Strand von La Ventana
Die letzten Tage verbringen wir noch einmal am Strand von La Ventana. Am Wochenende kommen ein paar Familien mit ihren Kindern  und geniessen das erholsame Strandleben. Regine und ich spielen zur Abwechslung ein Rummy. Mario 10 Jahre und Adriana 11 Jahre nähern sich zaghaft unserem Tisch. Interessiert und ruhig schauen sie unserem Spiel zu und wir versuchen ihnen die Spielregeln zu erklären. Mario bringt ein paar Brocken Englisch, doch wir bleiben beim Spanisch. Bereits nach kurzer Zeit haben beide begriffen, wie das Spiel läuft. Sie holen ihre Stühle und setzen sich neben uns. Die Familie und die grosse Verwandtschaft sitzen hinter unserem Auto unter den Bäumen im Schatten. Als wir unser Spiel beendeten, forderten wir sie zum Mitmachen auf.
Ich sitze neben Mario und Regine neben Adriana. Ihre Kinderaugen leuchten und sie beginnen zu spielen. Mit wenig Unterstützung meistern sie ihr erstes Spiel. Zuhause spielen sie nicht, meinte Mario und fügte hinzu, dass er in der Schule bereits Englisch lerne. Jetzt können wir unserem Spanisch freien Lauf lassen, auch wenn die Sätze noch Fehler und einwenig holperig daherkommen. Adriana ist aus La Ventana, die Verwandtschaft und Mario aus La Paz. Nach der zweiten Runde spielen sie fast selbständig und haben grossen Spass. Die Freude ist gegenseitig. Vor Wochen hätten wir nie daran gedacht, mit mexikanischen Kindern am Strand zu sitzen und unsere bescheidenen Spanischkenntnisse zu üben. Einfach grossartig!
Zurück in den Urlaub
Mitte Juni stellen wir unser Fahrzeug in der Nähe vom Flughafen La Paz ein und unterbrechen unsere Reise bis anfangs September. Viereinhalb Monate hat unsere dritte Reise gedauert, davon vier Wochen Sprachaufenthalt. Von den sommerlichen Temperaturen zwischen 35 - 40 Grad nehmen wir gerne Abschied. Die kommenden Monate werden noch wärmer. Wir können es bestätigen, in den inneren Wüstengebieten kämpfen Menschen, Tiere und Pflanzen gegen die erdrückende Hitze und Trockenheit. Im südlichen Teil der Baja fällt sehr wenig Regen. Zwischen Dezember und März „tröpfelt“ es ab und zu.
Wir sind wieder ohne Pannen, Unfall und Krankheit unterwegs gewesen, ein grosses Geschenk vom Himmel! Mit traumhaften Bildern im Kopf und eindrücklichen Erlebnissen kehren wir zurück. Nun heisst es eine gute Reiseroute durch Mexiko und die Mittelamerikanischen Länder zusammenzustellen. Wenn nichts dazwischen kommt, würden wir gerne in das Reich der Azteken und in die Welt der Maya- und anderen Kulturen eintauchen. Im September bringt uns die Baja Ferries aufs mexikanische Festland. Hasta luego!