01. - 31.10.2011 San Miguel de Allende - Catemaco (Veracruz)
San Miguel de Allende -  tickt anders!
Das Städtchen im Hochland ist nicht typisch. Eine internationale Kunstakademie, Wohnort vieler Künstler und Kunstliebhaber, Galerien, Sprachschulen, aber auch Wohnsitz vieler amerikanischer Bürger prägen das Gesicht dieser Kleinstadt. Moderne Shops und Boutiquen trifft man hier ebenso, wie eine sehr grosse Auswahl an Restaurants mit idyllischen Innenhöfen. San Miguel ist auch der „Pilgerort“ des Freiheitskämpfers Ignacio de Allende, der hier 1779 geboren wurde. Er führte 1810 den mexikanischen „Guerra de Independencia“ (Unabhängigkeitskrieg) an.
Er gehörte zu den revolutionären Männern, die gegen die sozialen Missstände und Ausbeutung der landlosen Bauern kämpfte. So erhielt die Stadt später den Zusatz „de Allende“. Die Allende-Statue im Eckhaus ist mit Blumen geschmückt. Sein Geburtshaus und das dazugehörende Museum im Zentrum ziehen Besucher an. Das Kulturleben in der Stadt ist fast einmalig, ständig gibt es interessante Ausstellungen, Konzerte, Aufführungen und natürlich immer wieder eine „Fiesta“ die über mehrere Tage gehen kann. Das Angebot an Freizeit-Kursen aller Art ist hier besonders gross. Schmuck herstellen, Mal- oder Tanzkurse besuchen und wer Spass hat, kann auch sein Spanisch erweitern, da kommt kaum Langeweile auf.  Hinzu kommt, dass der Ort einen gewissen Charme besitzt und für uns als Besucher eine sehr grosse Sicherheit bietet. Selbst nachts können wir durch die engen Gassen spazieren ohne Angst zu haben und zu Fuss auf den Campingplatz zurückkehren.
Obwohl wir das Gefühl haben, hier lässt es sich gut leben, treffen wir in den Gassen und vor Kirchen alte Indiofrauen an. Sie sitzen am Strassenrand und betteln um ein paar Pesos. Sie stehen am untersten Ende des sozialen Gefälles und der Anblick passt schlecht in die touristenreiche Kolonialstadt. Die Begegnung mit den bettelnden Indiofrauen berührt unser Innerstes. Wurden sie im Stich gelassen von ihren Familien und warum gehören sie zu den Verlierern dieser Stadt? Solche Fragen wälzen wir im Kopf, während wir meist auf fröhliche Menschen treffen. Ja, die Oberschicht, die Mittelschicht und die Bettelnden, sie alle sind mitten auf kleinem Raum in der Innenstadt anzutreffen. Auch das gehört zu San Miguel de Allende!
Die Voladores (fliegende Menschen)
Das San Miguel Patronatsfest am 29. September wird in diesem Ort ganz besonders gefeiert. Die Stadt San Miguel ist in Feststimmung. Brauchtum und Folklore ist den Mexikanern heilig. Die „Fiestas“ sind die grossen Highlights  im Jahr. Da wird musiziert, ausgiebig getanzt und sehr lange, ohrenbetäubende Feuerwerks-Shows abgehalten. Kaum ein Land hat so viele Feiertage und Feste wie Mexiko. In sehr vielen unterschiedlichen Veranstaltungen drückt sich das reiche kulturelle Erbe aus. Ein wichtiges Fest ist immer der Tag des Schutzpatrons des Ortes, bzw. der Kirche.
Als wir am späten Nachmittag den Plaza  Principal besuchen,  bereitet sich eine Gruppe Voladores auf ihren Auftritt vor. Ihr Tanz um den hohen Mast wird von den Klängen einer Flöte und einer Trommel begleitet. Etwas später steigen fünf Männer auf den ca. 20 m hohen Mast. Sie sitzen an der Spitze des Mastes auf einem drehbaren Holzrahmen. Vier  Voladores befestigen ein Seil an ihrem Körper, das aufgerollt am  Mast befestigt ist. Flötenspiel und Trommelklänge begleiten die Akrobaten bei den Vorbereitungen. Kurze Zeit später lassen sich die vier „Tocotines“ kopfüber nach hinten abrutschen, während sich die Seile über dem Holzrahmen abspulen.
Die Männer schweben in immer grösser werdenden Kreisen zu Boden. Nach etwa 13 Umdrehungen sind die Seile abgewickelt und ihr Körper mit dem Kopf voran berührt fast den Boden. Im letzten Moment richten sie sich wieder auf. Während des Herabgleitens flötet und trommelt der fünfte Mann auf der Mastspitze. Die Voladores tragen eine schön weiss-rote Totonakentracht. Die Totonaken sind im Norden von Veracruz und Puebla beheimatet. Viele alte Riten sind in ihrer Religion noch lebendig. So entwickelten sie das Ritual des „Danza de los Voladores“ das heute an verschiedenen Orten eine Touristenattraktion ist. Mit einem grossen Applaus wurde die Gruppe für ihre Darbietung belohnt.
San Miguel – in der Nacht um 3 Uhr
Schon beim Einschlafen hörten wir vom Stadtzentrum her laute Musik, Knaller und Feuerwerkskörper. Um 2.15 Uhr weckte uns das Handy. Mit Joachim, Bärbel, Günter und Doris spazierten wir ins Zentrum zum nächtlichen Treiben. Rund um den „Zócalo“, der in San Miguel de Allende Jardin Principal, bzw. Plaza Principal heisst, standen die Besucher gedrängt. Um 3 Uhr startete der Umzug mit verschiedenen Musikgruppen die in einer aussergewöhnlichen Lautstärke spielten. Um 4 Uhr läuteten die Kirchenglocken der Pfarrkirche San Miguel das einstündige, ohren- betäubende Feuerwerk ein. Mitten unter einem gewaltigen Feuerwerk zu stehen ist gewöhnungsbedürftig und unsere Ohren hatten wenig Freude.
Die Feuerwerkskörper wurden kaum 20 Meter vor uns in einer Gasse archaisch von Hand gezündet. Jung und Alt, aber auch viele Kinder schauten in den funkelnden Himmel. Während dem Feuerwerk über dem Jardin Principal wurde vor dem Kirchenportal ein anderes, kleineres Feuerwerk gezündet, das ununterbrochen mit knallendem Lärm den Platz erhellte. Über dem grossen Platz war der Krach so laut, dass man sich nur noch mit Brüllen verständigen konnte. Ein Regen von verbranntem Feuerwerks-Müll prasselte auf die Zuschauer herab und bedeckte langsam aber sicher den Boden. Wir stellten uns unter die Lorbeerbäume, die als Schutzschirme den Müll vom Himmel auffingen. Ein Spektakel von aussergewöhnlicher Heftigkeit in den frühen Morgenstunden.
Um 5 Uhr verstummte das grosse Haupt-Feuerwerk. Von hohen, drehenden  Metallgittertürmen vor dem Kirchenportal zündete erneut ein fantasievolles Feuerwerk. Rotierende Sonnen- und  Sternbilder in allen Grössen drehten horizontal und vertikal  rund um die Türme. Kaum war ein Feuerwerksbild erloschen, zündete gleich das Nächste. Zischende Geräusche wurden abgelöst von lauten Knallern, farbigen Bildern und fantasievollen drehenden Objekten. Der Geruch und Rauch von abgebranntem Feuerwerk wehte der Wind über die Dächer hinweg. Fast pausenlos dauerte die Feuerwerks-Show. Zum  Abschluss drehte sich eine grosse Feuer speiende Sonne an der Spitze des Turmes, die sich immer schneller drehte. Plötzlich hob sie ab, drehte sich laufend höher in den dunkeln Himmel bis sie erlosch.
Die Silhouette der Kirchenfassade erhellte sich als ein funkelnder Lichterregen an langen Drähten zum Glockenturm aufstieg. Das Glockengeläute mischte sich unter die laute Feststimmung und verschiedene Musikgruppen überboten sich an Lautstärke. Man muss mitten im Pulk stehen um zu begreifen, wie die Mexikaner eine grosse „Fiesta“ durchziehen. Wir mitten drin in einer Stadt, nachts,  kaum Platz zum Stehen… wir hätten das uns nie träumen lassen…! Um 6 Uhr gab es Frühstück, nicht in der Altstadt, sondern in unserem Camper. Ein paar Stunden Schlaf und unsere Ohren konnten sich wieder an einen normalen Lärmpegel gewöhnen.
Am späten Nachmittag um 17 Uhr gingen die Feierlichkeiten rund um den Jardin Principal und vor dem Platz der Kirche mit  grosser Zuschauermenge weiter. Es folgte ein zweistündiger Tanz- und Musikumzug. Gruppen aus den verschiedensten Orten Mexikos präsentierten sich mit ihrem Brauchtum. Grosse Reitereinheiten, farbenprächtige Trachten, Kostüme, Masken und Musikkapellen begleiteten den Umzug. Verschiedene Tänze und Kampfspiele zeigten die unterschiedlichen Volksgruppen in voller Begeisterung.
Mehrere auf grossen Holzrahmen gestaltete  Kunstwerke aus Blumen, Holz- und Pflanzenteile stellten die Gruppen vor der Kirchenfassade auf. Mit christlichen Ornamenten geschmückt bereicherten sie den Eingang zur Kirche. Um 20 Uhr war der Festplatz immer noch gerangelt  voll und wir konnten uns nur mühsam durch die Menge fortbewegen.
Zum Abschluss wieder ein Feuerwerk, wenn auch etwas kleiner als in der Nacht.  Wir können nur staunen, San Miguel de Allende feiert ihren Patronatstag begeisternd, ausdauernd und leidenschaftlich. Wir erhielten einen kleinen Einblick in das Brauchtum, in die Kulturtradition und in die altindianischen Riten. Ein wirklich grossartiges Erlebnis!
Die Wäsche-Wasch-Kultur ändert sich!
Gewohnt unsere Wäsche selber auf dem Campingplatz oder vor Ort in einer Lavanderia zu machen hat sich in den letzten 12 Monaten bewährt. Doch seit wir im Mexikanischen Hochland sind, wird die Wäsche für uns gemacht. Campingplätze verfügen meist über keine Waschmaschinen oder andere Waschgelegenheiten. Dafür kommt ein Bote von der Wäscherei. Er holte um 9.15 Uhr ein grosser Stoffsack verschmutzter Wäsche (6-7 kg) ab. Am späteren Nachmittag bringt er sie gewaschen, getrocknet und schön zusammengelegt in einem durchsichtigen Plastiksack verpackt zurück. Wir sind überrascht, das vollständige Wäschesortiment kommt um 17 Uhr auf den Campingplatz zurück, nichts fehlt! Ein exklusiver Service der uns ca. SFR. 11.- kostete. Wir müssen umdenken, morgens die Kleider im Wäsche-Salon abgeben und abends pikfein zusammengestellt, verpackt abholen. Das kommt noch günstiger! Wir werden uns daran gewöhnen, die Wäsche wird hier für uns gemacht!
Campingplatz San Miguel de Allende
Mit Hilfe des Navi fahren wir metergenau vor den kleinen Campingplatz mitten in San Miguel de Allende. Von aussen  sehen wir nur Mauern, Tore und Bäume. Niemand würde hinter der hohen Mauer einen Campingplatz vermuten. Wir stehen mitten in einer schmalen Gasse und suchen den Eingang. Später öffnet uns Hans das Tor und wir fahren auf einen Stellplatz. Bärbel und Joachim aus Deutschland begrüssen uns. Sie sind seit längerer Zeit hier „daheim“. Wir erhalten News und Joachim macht mit uns am nächsten Tag eine tolle Stadtbesichtigung. Er führt uns wie ein Einheimischer zu den schönsten Orten in der Altstadt. Herzlichen Dank! Bärbel ist eine Künstlerin in der Schmuck-herstellung. Sie zeigt uns ihre schönen Kostbarkeiten, die sie selber gefertigt hat. Einfach Klasse! Sie besucht hier diverse Kurse und sie liebt das Kunsthandwerk. (www.reisestationen.de)
Am Montag kommen Doris und Günther aus der Schweiz von einem 4-tägigen Aufenthalt aus Mexiko City zurück. Sie sind mit ihrem Reisemobil auf der Panamericana unterwegs. (www.henryreisen.ch)  Jetzt erhalten wir viele Infos betreffend der Mega-City. Wir sitzen am Abend alle zusammen und tauschen Reiseinformationen aus. Für unsere Reiseplanung sind solche Informationen sehr wichtig, denn sie entsprechen dem neusten Stand und wir erfahren immer wieder interessante Details, die in keinem Reiseführer zu finden sind.
Petra und Klaus aus Deutschland machen ebenfalls einen Zwischenstopp in San Miguel de Allende. Wir verbringen mit ihnen einen sehr schönen Abend in ihrem Camper. (Walters Traumfahrzeug) Sie kennen Mexiko sehr gut, da sie schon mehrere Monate in diesem Land unterwegs sind. Auch sie geben uns wertvolle Tipps über die Gegend der Sierra Gorda im Bundesstaat Querétaro, den Süden von Mexiko, Yucatán, Belize und Guatemala. (www.abenteuertour.de)
Für die schöne Begegnung, die gemeinsamen Stunden und die vielen Tipps allen ein dreifaches „muchas  gracias!“ Bestimmt werden wir uns wieder sehen. Irgendwo unterwegs.
Quer durch die Sierra Gorda im Bundesstaat Querétaro
„Sierra Gorda un espacio de vida y esperanza” steht im Spezialreise-Heft. Übersetzt etwa: Das Gorda-Gebirge  ein Raum von Leben und Hoffnung. Auf über hundert Seiten wird der nördliche Teil des kleinen Bundesstaates mit farbigen Bildern und Karten-Skizzen illustriert. Die Mex 120 führt als Hauptroute durch den nördlichen Teil. Verschiedene Abstecher in die weiten Seitentäler laden ein, um auf Entdeckungstour zu gehen, meist jedoch auf schmalen Naturstrassen. Von der grünen Landschaft geht es kurvenreich in die Höhe. Kurz vor Pinal de Amoles weist uns der Wegweiser Richtung Bucareli. Der kleine Ort, 22 km abseits von der Mex 120, mussten wir aber zuerst verdienen. Etwas mehr als drei Stunden Fahrt (4x4 im Geländegang) waren nötig, bevor wir einen Blick auf die Ruinen der „Misión de Bucareli“ werfen konnten.
Der Abstieg von über 1200 Meter war anspruchsvoll, besonders in den vielen engen, zum Teil sehr steilen, ausgewaschenen Kurven. Kaum eine Handvoll Fahrzeuge begegneten uns, dafür entdeckten wir kleinste Dorfgemeinschaften, wie angeklebt an den steilen Abhängen. Kleine Mais- und Bananenfelder schmückten die steinige, von Büschen und Bäumen durchsetzte  Berglandschaft.  Die Stromleitung deutete da und dort auf abgelegene kleine Häuser hin, wo wir kaum ein Wohnen und Leben vermuteten.
Wir befinden uns in Zentralmexiko. Die Gegend ist bekannt für ihre sehr schönen Franziskaner Klosterkirchen mit ihren prächtig verzierten Portalfassaden. Von der  Misión de Bucareli aus dem Jahr 1776  und ihrer  späteren Blütezeit können wir nur noch eindrückliche Kirchen- und Klostermauer-Fragmente  in der Abendsonne bestaunen. In dieser Einsamkeit, nur erschlossen mit einem Feldweg, eine so grosse Ruinenanlage anzutreffen, überrascht uns. Welche Blütezeit muss da einmal geherrscht haben, dass hier so aussergewöhnliche Bauten im Niemandsland erstellt wurden. Wir können nur rätseln. Nachdenklich betrachten wir die drei brüchigen Glockentrümmer. Ja, wenn diese sprechen, statt läuten könnten. Was würden sie uns berichten?
Wir spazieren rund um den Ruinenkomplex der sich mitten in einer hügeligen Landschaft präsentiert. In den Unterlagen lesen wir, dass hier die Bibliothek einst ein Erbe von 460 Büchern zu den Themen kanonisches Recht in den Sprachen Latein, Griechisch und Spanisch beherbergte. Das älteste Werk wurde im Jahr 1779 geschrieben. Die Bibliothek gehört zur ältesten der Region. Wir fahren ein Stück zurück und übernachten auf einem kleinen Camping mitten zwischen  den grossen Maguey-Pflanzen, eine von vielen Agavearten. Der Platz ist recht gut eingerichtet. Eine warme Dusche ist hier ein echter Luxus. Wir nehmen dankend an. Am späten Abend, der Mond erhellte schwach die Bergwelt, erblickten wir da und dort einzelne kleine Lichter, die darauf hindeuteten, dass in diesem abgelegenen Tal verstreut Menschen wohnen. Mit Bildern von den sehr einfachen Häusern und der noch einfacheren Lebensweise dieser Gegend lassen wir uns in den Schlaf wiegen.
Am nächsten Tag kurven wir hoch in die karge Hügellandschaft nach Xilitla. Das Bergdorf in subtropischen Klima liegt bereits im  Bundesstaat San Luis Potosi. Das Dorf klebt buchstäblich an den bewaldeten steilen Abhängen und die Hauptstrasse zwängt sich kurvenreich durch den Ort. Bei der Dorfausfahrt sehen wir den Wegweiser „Las Pozas“ unser eigentliches Ziel. Mitten im Regenwald hat der Engländer und Multimillionär Edward James (1907-1984) eine kuriose Konstruktion von surrealen Fantasie-Gebäuden, Skulpturen, Kunstwerken mit verschlungenen Pfaden gebaut. Alles ist umschlungen von dichtem Grün.
Es wirkt bizarr, skurril, grotesk und ungewöhnlich! Eine Touristen- attraktion wo man unterwegs in den kleinen Becken unterhalb des Wasserfalles auch ein kühles Bad nehmen kann. Wir geniessen die Abkühlung mitten im Dschungel. Sicher sind die surrealen Beton- konstruktionen für den Kunstexperten eine Augenweide, doch der Park bietet auch für den Naturliebhaber eine Fülle von Überraschungen. Farbige Schmetterlinge in allen Grössen, Vögel, Käfer, Spinnen und anderes Kleingetier bereichern den Park ebenso, wie die reichhaltige Regenwald-Vegetation. Auf dem Rundgang kreuz und quer durch den Park kam keine Langeweile auf. Im Gegenteil, die vielen Fotosujets  im dichten Dschungel liessen uns die Zeit fast vergessen.
Teotihuacán, die Stadt in der  „die Götter geboren wurden“
Teotihuacán wurde nach einem sehr eigenwilligen städtebaulichen Plan gebaut. Seine Hauptachse ist die „Calzada de los Muertos“ (Strasse der Toten) an der sich die Sonnen- und Mondpyramide erheben. Teotihuacán  war das bedeutendste Kulturzentrum  und die grösste Stadt des alten Amerika. Man schätzt ihre Bewohner zur Blütezeit auf etwa 200'000, zwischen 200 und 500 n.Chr. Die Stadtfläche umfasste ca. 22 km2. Das innere Areal ist ca. 4 km2 gross, der Rest ist immer noch unerforscht und liegt in der umliegenden Umgebung. Ab etwa 650 n.Chr. begann ihr Einfluss zu schwinden, bis die Stadt um 750 schließlich aus noch nicht vollständig geklärten Gründen weitgehend verlassen wurde.
Die Azteken, die bei ihrer Einwanderung ins Hochland von Mexiko Teotihuacan als bereits seit mehreren Jahr- hunderten verlassene Ruinenstätte vorfanden, sahen in ihr einen mythischen Ort und benannten sie mit dem bis heute fortlebenden Namen Teotihuacán. Sie verstanden diesen Namen als „wo man zu einem Gott wird.“
Die Sonnenpyramide liegt im Zentrum Teotihuacáns. Mit einer Grundfläche von 222 mal 225 Metern, einer Höhe von gut 65 Metern sowie einem Volumen von rund einer Million Kubikmetern ist sie die drittgrösste Pyramide der Welt. Sie wurde um 100 nach Christus in einem Arbeitsgang errichtet und war damit das erste grössere Gebäude, das in Teotihuacán gebaut wurde. Die Pyramide wurde nach dem Lauf der Sonne angelegt, was das astronomisch-mathematische Wissen der Erbauer beweist.
Wir besteigen die steilen Stufen der Sonnenpyramide und staunen über die  gewaltigen  Ausmasse. Am Vormittag hält sich der Besucherstrom in Grenzen, sodass beim Auf- und Abstieg kein Verkehrs-Chaos herrschte. Der Ausblick auf die Umgebung ist grossartig. Der Blick auf die Mondpyramide, die sich am Ende der „Strasse der Toten“ befindet, beeindruckte uns ebenso, obwohl das Bauwerk bedeutend kleiner ist. Über die „Strasse der Toten“, die eine Gesamtlänge von 2 km hat, erreichen wir später die Mondpyramide mit ihren 12 Kultpyramiden umrahmten Mondplatz. Der noch steilere Aufstieg war nur bis zum zweiten Absatz offen, wo man 1998-2000 eine Grabkammer und vier menschliche Skelette und über 150 Beigaben entdeckte. Der Fund von 17 „craneos“, Totenschädeln  von Geopferten, war eine grosse Überraschung. Wir blicken von der Mondpyramide auf die schnurgerade, ca. 40 m  breite, Strasse der Toten, die durch mehrere kleinere Querbauten mit Treppen unterbrochen wird. Einzelne Abschnitte der Strasse dienten als Ballspielfelder.
Während der langen Zeit ihres Bestehens ist die Stadt durch den Anbau von Mehrfamilien-Wohnanlagen stetig grösser geworden. Die Innenhöfe und Wohnräume waren einst mit Wandmalereien dekoriert. Die Bewohner Teotihuacáns waren hervorragende Baumeister und Kunsthandwerker. Sie arbeiteten mit Werkzeugen wie Meissel, Poliergeräten oder geschliffenen Äxten und schufen erstaunliche Gegenstände aus Obsidian, dem Material, das der Stadt zu Reichtum und Macht verhalf. Im Museum sind viele Original-Funde ausgestellt. Ein riesiges Modell unter einem Plexiglas-Fussboden zeigt einen Einblick in die Grösse von  Teotihuacán.

Die Quetzalcóatl-Pyramide
besuchten wir am späteren Nachmittag ein zweites Mal. Jetzt zeigten sich die eindrucksvollen Köpfe der „gefiederten Schlange“ und die prächtigen Flachreliefs zum Teil in der Sonne. Die „Quetzalcóatl“ und den brillen- gesichtigen „Tláloc“, den Gott des Regens, präsentieren sich abwechselnd an der Pyramidenseite der Treppe. Das aufgerissene Maul der Schlange zeigt mächtige Fangzähne und der Kopf tritt aus einem Blütenblätterkranz hervor. Über die ganze Länge erkennen wir eingemeisselte Schlangen und dazwischen sind Muschel- und Wasserschnecken zu erkennen.          
Ursprünglich gab es auf allen vier Pyramiden- seiten insgesamt 366 Schlangenköpfe, die Anzahl der Tage eines Sonnenjahres, bzw. eines Schaltjahres. Rund um die Quetzalcóatl-Pyramide fand man Gräber und Skelette von 133 geopferten Männer und Frauen mit reichen Grabbeigaben. Vieles bleibt in Teotihuacán ein Rätsel, da es keine nachweisbaren Schriften gibt. Die über 3 m hohe Wassergöttin Chalchihuitlicue sahen wir später im Anthropologischen Museum in Mexiko Stadt. Eindrücklich!

 

4 Tage in Mexiko City – die pulsierende Metropole!
Der Bus brachte uns von San Juan Teotihuacán in knapp einer Stunde zur Metro-Station Dep.18 de Marzo. Von dort ging es mit der Metro ins Stadtzentrum, wo wir bei der Station Bellas Artes wieder das Tageslicht  erblickten. Zu Fuss erreichten wir in gut zehn Minuten das Hotel El Salvatore (3 Sterne, pro Nacht komplett SFR 34.-). Geschafft: Wir sind mitten im Zentrum und können das „Centro Histórico“  unter die Füsse nehmen. Doch zuerst besteigen wir den dachlosen Turibus und lassen uns während 3 ½ Stunden zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten chauffieren. Die Fahrt geht durch schmale Gassen und über breite Boulevards. Gegen Abend nimmt der Verkehr beachtlich zu. Vergangenheit und Gegenwart wechseln sich ab, hier müsste man Wochen unterwegs sein, um auch nur einen kleinen Einblick in die Weltstadt zu erhalten. Mit unserem 4-tägigen Minimalprogramm können wir nur ein bisschen schnuppern! Der Blick auf das emsige Treiben in den Strassen und auf den Trottoirs ist einmalig. Wenn die Ampeln auf rot stehen, werden die Fahrzeuge auf breiter Front mit einem reichhaltigen Angebot belagert. Verkauf von Esswaren und Getränke, Zeitungen, Souvenirs oder einfach die Autoscheiben waschen und reinigen, dazwischen zeigt ein Künstler sein Können, jeder will ein paar Pesos verdienen.
Gegen 18 Uhr steigen wir beim Zócalo aus und bestaunen die Kathedrale und die Sagrario-Kirche  in der Abendsonne. Die Bauzeit dauerte von 1573 – 1813 und verschiedene Baustile über die Jahrhunderte sind gut sichtbar. Die Kathedrale wurde auf Resten eines Aztekentempels gebaut. Der weich-poröse Untergrund war ungeeignet und gab nach, was aufwändige Sanierungsarbeiten zur Folge hatte. Besonders auffällig sind die schrägen Wände und Säulen, wenn man sie mit den senkrechten langen Leuchterketten ins Auge nimmt. Wir besichtigen einen Teil der 14 Seitenkapellen die entlang dem Hauptschiff angeordnet sind. Der vordere Teil war nicht zugänglich und war abgesperrt. Der Zócalo, der Stadtplatz mit 220 x 240 m ist zurzeit belegt mit sehr vielen Bücher-Verkaufsständen, wie an einer Buchmesse. Mitten drin flattert die riesige mex. Fahne deren Schattenwurf auf dem Palacio Nacional gut sichtbar ist.
Rund um die Catedral Metropolitana reihten sich hunderte von kleinen Souvenir-Verkäufern aneinander, ihre Kostbarkeiten auf dem Boden ausgebreitet. Vor der Kirche schauen wir den verschiedenen  Räucherzeremonien zu. Männer und Frauen lassen sich von „Heilern“ beräuchern, betören und beraten. Das Ritual wird ergänzt mit Worten und Gesten. Die Wartenden  stehen in einer Schlange und harren geduldig bis sie an die Reihe kommen. Noch müssen wir dem Ritual der "Limpia" auf den Grund gehen. Auf dem Weg zum Hotel spazieren wir durch die sehr lebhafte Fussgängerzone Francisco I. Madero. Wir fühlen uns sicher trotz einbrechender Dunkelheit.  Alle 30 – 50 Meter stehen mehrere Polizisten und überwachen das geschäftige Treiben. Nach 20 Uhr schliessen die meisten kleinen Läden und der Gross-Stadt-Rummel neigt sich langsam aber sicher zur Ruhe.



Anthropologisches Museum
Unser Frühstück in einem guten Restaurant beschränkte sich auf  Cappuccino und Gebäck. Auf ein reichhaltiges mex. Frühstück verzichteten wir. Wir staunten über die grosse Auswahl an warmen Mahlzeiten in den frühen Morgenstunden. Mit der Metro und einem Fussmarsch erreichten wir den Eingang zum Anthropologischen Museum. Mit dem kleinen Museumsführer ging es durch die 12 Räume im Erdgeschoss, wo die grossartige archäologische Sammlung des Museums ausgestellt ist. Im Saal von Teotihuacán steht die majestätische Skulptur der Göttin Chalchihuitlicue und eine sehr grosse Nachbildung der Fassade der Pyramide der gefiederten Schlangen.
Die Fundstücke in den Vitrinen sind sehr schön ausgestellt und zeigen ein vielseitiges Kunsthandwerk. Im Saal der Maya sehen wir die künstlerischen Schätze die sich über ein riesiges Gebiet verteilt. Auf einem Gebiet von etwa 400'000 km2 siedelten sich die Maya-Gruppen an. Es erstreckte sich bis in die mittelamerikanischen Länder Belize, Guatemala, El Salvador und Teile von Honduras.
In den kommenden Wochen wollen wir durch die Gebiete von Chiapas, Tabasco, Campeché und Yucatán reisen und bekannte  Maya-Städte auf- suchen. Hier erhalten wir einen ersten Vorgeschmack über die bedeutsamste Hochkultur. Weitere sehr schön ausgestaltete Räume zeigten die schönsten Schätze der Tolteken (750-1200 n.Chr.), die Welt der Mexica, der späten Nachklassik (1300-1521 n. Chr.) sowie der Kulturen Oaxacas und der Golfregion. Das Obergeschoss widmet sich der Völkerkunde und heutiger mexikanischer Indigenas. Sehr sehenswert  sind die kulturellen Bräuche, Trachten, Handwerk und Geräte. Wir sind tief beeindruckt über die grossartige Präsentation. Als wir um 18 Uhr  das Museumsgelände verlassen, sind wir müde und unsere Köpfe voll Bilder interessanter Götter und Skulpturen. In Jahrhundert alte Kulturen „hineinzublicken“ macht das Reisen so richtig spannend.

Folklorico de Mexiko im Palacio Belles Artes
Am Sonntagmorgen um 9.30 Uhr liessen wir uns von rassigen mexikanischen Tänzen und Musik  begeistern. Der schöne Theatersaal war gut besetzt. Altmexikanische Tanzelemente wechselten mit Regionaltänzen ab. Die neun verschiedenen Tanzaufführungen dauerten gut 1 ½  Stunden und begeisterten das Publikum. Aus dem Programm entnehmen wir, dass Amelia Hernandez, eine mexikanische Choreographin, als Pionier in der Entwicklung des Bailes Regionales oder des Baile Folkloricos gilt.  Sie hat es geschafft eine Tanzmischung zu entwickeln, die eine Verknüpfung der alten einheimischen Tanzkultur und modernem Tanz beinhaltet.
Im Jahr 1952 gründete Amelia Hernandez das „Ballet Folklorico de Mexico“, eine Tanzgruppe, die heute weltweit dafür bekannt ist, dass der mexikanische „Baile Folklorico“ internationale Aner- kennung erlangt hat. Angefangen hat Hernandez mit einer Truppe von acht Tänzern, die sie innerhalb von fünf Jahren auf 50 Tänzer und Tänzerinnen erhöhen konnte. Mit mehr als 100 internationalen Tourneen konnte diese Künstlergruppe mit seiner ausserge-wöhnlichen Neuinterpretation des  Volkstanzes internationalen Ruhm erlangen. Und selbst mehr als 50 Jahre nach der Gründung des Balletts ist ein Besuch einer Aufführung noch immer etwas Besonders.
Templo Mayor
In der Nähe der Kathedrale stehen noch die Überresten der aztekischen Hauptpyramide. Wir gehen auf einem Besichtig-ungssteg durch das Grabungsareal und besichtigen die alten Mauerresten, die Teils überdacht sind. Sehenswerte Aus- grabungsstücke bestaunten wir anschliessend im  Museum. Die mächtige runde Steinscheibe der Mondgöttin  Coyolxauhqui misst 3,20 m im Durchmesser und ist 8 Tonnen schwer. Sie ist die Hauptattraktion. Das Relief in Stein gehauen zeigt die Göttin zerstückelt. Kopf, Arme und Beine sind vom Rumpf abgetrennt. Bei den Ausgrabungen wurden in allen Bauschichten und Zeitepochen viele Kostbarkeiten gefunden.

Nach soviel Kultur suchten wir die bekannte „Pasteleria Idel“ auf. In der Fuss- gängerzone finden wir das ehemalige Klostergebäude. Das Haus  hat  ein riesiges Bäckerei- und Süsswaren-Angebot vom Feinsten. Kuchen, Süss-Gebäck, Guetzli,  Schokolade, mehrstöckige Hochzeitstorten und vieles mehr, darunter auch Schweizer Nussgipfel. Laufend werden frisch-gebackene Süssigkeiten aufgefüllt und die Besucher füllen ihre grossen Blechteller mit Köstlichkeiten bis sie randvoll sind. Am Sonntagabend ist das Geschäft sehr gut besucht und wir müssen uns durch die Gestelle und Tische voll Süssigkeiten durchkämpfen. Wir sind überrascht, wie die Mexikaner Berge von Gebäck und Süssigkeiten aus dem Laden tragen. Der feine Bäckerei-Geruch nehmen wir mit auf die Strasse hinaus und essen den mexikanischen Schweizer Nussgipfel genussvoll. Wirklich Spitze!

Torre Latino-Americana
Bei einbrechender Dunkelheit  besuchen wir zum Abschluss des Tages noch den 178 m hohen Torre Latino-Americana. Auf der Aussichtsplattform blicken wir auf das dunkle, endlose Häusermeer, das nur durch die beleuchteten Hauptstrassen, voll gestopft mit Fahrzeugen, unterteilt ist. Auch die Fussgängerzonen sind gut beleuchtet und wir schauen dem emsigen Treiben aus der Höhe zu. Zu Fuss spazieren wir zum Hotel zurück, wo wir uns unter die warme Dusche stellen und den „Smog“ der Grossstadt abspülen.
Am  vierten Tag besuchten wir verschiedene Läden und Geschäfte im Centro Histórico und Umgebung. Wir haben von Mexiko-City nur einen ganz kleinen Bruchteil gesehen, denn die Stadt misst von Ost nach West ca. 30 km und von Nord nach Süd ca. 40 km. Mit weit über 20 Millionen Einwohnern ein gewaltiges Ballungszentrum. Wir haben es gelesen und auch gesehen, die Mega-City produziert täglich über 80'000 Tonnen Müll. Ja und so gibt es neben den ganz grossartigen Sehenswürdigkeiten auch Probleme der Luftverschmutzung, der Wasserknappheit oder der Verkehrsbelastung. Am Nachmittag fahren wir mit der  Metro und dem Bus  zurück nach Teotihuacán, wo wir wieder auf dem Camping die  friedliche Ruhe geniessen. Der Duft  der saftig grünen Wiese lässt unseren Puls wieder herunter fahren.

Gerlinde und Horst aus Deutschland sind immer noch auf dem Campingplatz und warten auf ihre Versicherungspapiere für Mexiko. Sie sind schon lange unterwegs. Ihre Reise führte sie von  Süd- über Mittelamerika nach Mexiko. Ein paar Jahre älter als wir, haben sie eine sehr grosse Reiseerfahrung, was der südliche Erdteil betrifft. Davon können wir ausgiebig profitieren. Gleich zweimal sitzen wir beim Nachtessen zusammen und tauschen Reiseerlebnisse und Infos aus. Dabei verwöhnen  uns Gerlinde und Horst mit einem feinen chinesischen Essen. Herzlichen Dank! Es schmeckte super!
Der Zufall wollte es, dass wir sie einen Tag später wieder trafen in der Nähe der Ausgrabungsstätten von Cacaxtla. Auf einer Anhöhe hatten sie sich gut eingerichtet und der Ausblick auf die Vulkane von Popocatépetl und Iztaccihuatl hätte aus einem Reiseprospekt stammen können. Horst war ein Profi und hatte ein gutes Feeling was die schönsten, freien und kostenlosen Übernachtungsplätze betraf. Am Abend kam noch eine Polizei-Patrouille vorbei und segnete unser freies Camp ab. In die dunkle sternenklare Nacht hinaus loderte ein grosses  Feuer und erwärmte uns. In den kommenden Tagen reisten wir zusammen Richtung  Cholula, Puebla, Tehuacan, Huajuapan de León nach Oaxaca.

Gemeinsam besuchten wir dort die grösste und schönste Zapoteken - Ausgrabungsstätte Monte Albán. Der Ort liegt in einem weiten Hochtal der Sierra Madre auf etwa 1900 m Höhe. Die  deutschsprachige Führung durch die Ruinenstätte dauerte fast drei Stunden und so konnten wir für einmal unser Reisebuch im Rucksack lassen. Wir durchquerten  mit unserer Reiseführerin Kristina den grossen Hauptplatz, ca. 300 x 150 m, wo sich die mehr als 20 Bauten und Pyramiden würdevoll präsentieren. Mit vielen Infos und Geschichten wurden wir in die Vergangenheit der Zapoteken eingeführt, und ebenso viele Fragezeichen zur alten Kultur tauchten auf. Kristina verstand es ausgezeichnet uns für die Geschichte und Kultur der Zapoteken zu begeistern und machte viele Vorbehalte, wenn es um unbewiesene Interpretationen ging.
Noch ist so vieles unerforscht und bleibt ein Rätsel. Der Blick auf das grosse Gelände von Monte Albán, dem einstigen religiösen und urbanen Zentrum der „Menschen der Wolken“, wie sich die Zapoteken nannten, bleibt unvergesslich. Am nächsten Tag besuchten wir die  Altstadt von Oaxaca. Das grossartige „Museo de las Culturas de Oaxaca“ beherbergt kostbare Schätze aus der Umgebung und zeigt in der Bibliothek einen grossen Bestand alter Bücher. Aus dem Obergeschoss blicken wir auf den ehemaligen Klostergarten. Viele verschiedene Kakteen werden hier liebvoll gepflegt und der Garten verdient hier wirklich den Namen „Jardin Etnobotánico“.

Am nächsten Tag fahren Gerlinde und Horst weiter Richtung Süden an den Pazifik, wo sie später noch einmal nach Guatemala reisen. Wir verabschieden uns mit dem Gewissen, dass wir uns wieder sehen werden, irgendwo in Mittelamerika. Nochmals ganz herz- lichen Dank für die schöne Reisezeit mit euch!
Unsere Route führt uns auf der Mex 175 in den Norden der Sierra Norte de Oaxaca. Auf der rund 232 km langen Bergstrecke, an der sich Kurve an Kurve reiht, geht es hinauf auf 3000 m Höhe durch den Regenwald. Die sehr steile Strasse verlangt oft den ersten Gang beim Herunterfahren um nicht dauernd  auf der Bremse zu stehen. Mehrere Male geht es auf über 2500 m Höhe, dann folgt der Abstieg mit den ebenso vielen Höhenmetern und Kurven. Das sehr dünn besiedelte Waldgebiet ist eine Augenweide für den Naturliebhaber. An den wenigen kleinen Orten winken uns die Einheimischen zu und wir erhalten einmal mehr einen Einblick in das karge, einfache und „touristenlose“ Leben der Einheimischen. Leben im Einklang mit dem Regenwald ist auf dieser Strecke Realität, was für einen gewaltigen Kontrast zur Touristenstadt Oaxaca.

In Catemaco, ca. 15 km von San Andrés Tuxtla entfernt, liegt das „Wallfahrtsort“ für das Ritual einer „Limpia“, der spirituellen Säuberung oder der Reinigungszeremonie. Über die zahlreichen „Curanderos“ (Heiler) und „Brujos“ (Zauberer) und ihre Tätigkeit wollen wir in den nächsten Tagen mehr erfahren. Wir berichten im November darüber. Catemaco hat einen guten Campingplatz, der von einem Amerikaner geführt und gepflegt wird. Der Unterschied zu einem mexikanisch geführten Campground würde mehrere Seiten füllen. Lassen wir das! Hier gibt es eine Waschmaschine und Tumbler, einen saftig grünen Rasen, nirgends gibt es Müll und die warme Dusche und das WC funktioniert zur besten Zufriedenheit. Manchmal treffen verschiedene Welten aufeinander, jedoch mit sehr grossem Unterschied. Der Monat Oktober neigt sich zu Ende und unser Reiseabenteuer ist ein Kapitel reicher geworden. Wie gewohnt haben wir nur einen Bruchteil schriftlich festgehalten, der Rest lebt in unseren Köpfen lebendig weiter.

Zum Schluss ein kleines Erlebnis, eines von vielen in diesem Monat, das uns noch lange in Erinnerung bleibt. Ort der Begegnung: Ein paar Kilometer vor der Grossstadt Puebla. Wir fahren auf der dreispurigen Autobahn Richtung Stadt als wir von einem Polizisten nach dem Zufallsprinzip aufgehalten werden. Wir sind angegurtet, unser Fahrzeug hat Licht, und wir fuhren langsam auf der rechten Spur. Er kam zum Fahrzeug schaute unseren Camper an und verlangte den Führerausweis. Aus Versehen überreichte ich ihm eine lamellierte Kopie des Fahrzeug-Ausweises. Er studierte das Dokument nach vorne und hinten und machte gleichzeitig auf sich Aufmerksam mit einen spanischen Redeschwall. Aber heute ist unser Glückstag. Ausgerechnet heute verstehen wir kein Wort Spanisch und lassen ihn weiter reden. Nach einer Weile reiche ich ihm ein zweites lamelliertes Dokument nach, das er wiederum gründlich studiert.
Beide Dokumente fest in den Händen gestikulierte  er weiter. Unter Reisenden weiss man, dass man nie die Originaldokumente aus den Händen gibt und grundsätzlich auch kein Schmiergeld aushändigt. Das Studium unserer Dokumente zog sich in die Länge und unsere Spanischkenntnisse verharrten bei Null. Nun suchte der Polizist nach einer Lösung seines Problems. Wortreich gab er uns die beiden Ausweise zurück und machte eine Geste, dass wir weiterfahren sollen. Also reihten wir unsordnungsgemäss wieder in den Strassenverkehr ein. Regine versorgte die kopierten Ausweise wieder im Handschuhfach, wo sie immer in Griffnähe sind. Der zweite Ausweis war übrigens meine Gleitschirm-Flieger-Lizenz, sagte ich zu Regine, die mich ganz überrascht anschaute. Sie konnte sich ein Lachen nicht verkneifen!
 
zurück