Reisebericht August USA - Kanada - Alaska
01. - 31.08.2018 Kalispell - Glacier NP (USA) - Waterton Lakes NP - Banff NP - Jasper NP -
Prince George - Terrace - Hyder - Whitehorse - Dawson City
Ein Wiedersehen mit Chrigi und Kölbi
Am ersten August fahren wir von Kalispell nach Hungry Horse, ein kleiner Ort vor dem Westeingang zum Glacier Nationalpark. Das „hungrige Pferd“ haben wir nicht gefun- den, dafür finden wir Chrigi und Kölbi am Hungry Horse Lake. Zwei sehr erfahrene Globetrotter, die wir zum ersten Mal in San Carlos de Bariloche (Argentinien) im November 2013 kennenlernten. Seither sind wir in Kontakt geblieben.
Heute kreuzen sich unsere Reisewege erneut. Sie sind nach Südwesten unterwegs, und wir suchen den Weg nach Norden. Ein herzliches Wiedersehen erfreut uns alle. Wir feiern den ersten August zusammen. Grillieren am Feuer, und haben uns viel zu erzählen. Tja, wenn Langzeitreisende zusammen- kommen, dann haben sie mehr als genug Gesprächsstoff. Ein kühles Bad im Hungry Horse Lake erfrischt uns. Ihre und unsere Reiseerlebnisse stehen im Mittelpunkt, als wir bis um Mitternacht ums lodernde Lagerfeuer sitzen. Nach einem Blick in den prächtigen Sternenhimmel wurde es Zeit, unsere Schlafkoje aufzusuchen.
Am nächsten Morgen beschliessen wir noch einen Tag ge- meinsam zu verbringen. Chrigi und Kölbi haben einen tollen Übernachtungsplatz auf dem Radar, den wir nach dem Frühstück gemeinsam aufsuchen. Wir fahren zuerst auf der Cames Road, später auf der Outside North Fork Road Richtung Polebridge. Kurz vor dem kleinen Ort findet Kölbi einen traumhaften Übernachtungsplatz direkt am Flathead River. Auf der anderen Flussseite beginnt der Glacier NP. Wir baden im kalten Wasser, das aus Norden von Kanada kommt. Chrigi sucht am Flussufer entlang feine Saskatoon-Berry und überrascht uns am Abend mit einem feinen Beerenkuchen. Danke Chrigi, der Kuchen war sehr gut!
Chrigi und Kölbi geben uns noch gute Reise- tipps von Kanada, da sie gerade zwei Monate im Norden unterwegs waren. Da es viel Schwemm- holz entlang dem breiten und flachen Fluss gibt, ist das nächtliche Feuer auch ein wenig grös- ser. Chrigi und Kölbi erzählen uns grossartige Reiseerlebnisse aus Indien, Pakistan, Asien und Afrika. Etwa 60 Länder haben sie in den vergan- genen Jahren besucht.
Die guten Tipps aus Fernost sind interessant, spannend und lustig, die kein Reiseführer ersetzen kann. Sie machen uns „gluschtig“, weitere Abenteuerreisen zu unternehmen. Der traumhafte Übernachtungsplatz kennt keine Lichtver- schmutzung. Dunkle Nacht, ein Sternenhimmel und das Rauschen des Flathead River begleitet uns in den Schlaf. Danke für das tolle Wiedersehen mit euch. Uns hat es gros- sen Spass gemacht. Solche Stunden unter Reisenden blei- ben für uns unvergesslich. Have a safe travel!
Glacier Nationalpark
Tags darauf fahren wir in den Glacier Nationalpark und Chrigi und Kölbi nehmen Kurs nach Süden. Im September müssen sie wieder arbeiten. Wir fahren den McDonald Lake entlang. Später beim Avalanche Creek steigt die Logan-Passstrasse an. Der Verkehr nimmt stetig zu. Die roten, alten und offenen Touristenbusse fahren zahlreich die Bergstrasse hoch. Unterwegs bis zur Passhöhe, 2025 m, gibt es Overlooks, Abzweigungen für Trails und eine fan- tastische Berglandschaft.
Die „Going-to-the-Sun Road“ ist Strassenbaukunst aus dem letzten Jahrhundert. Auf alten Fotos sehen wir, wie sie früher an den fast senkrechten Fels- wänden die erste Strasse gebaut haben. Im obersten Streckenabschnitt entlang der Garden Wall ist die Strasse wirklich sehr eindrucksvoll. Die vielen Besucher die zur Passhöhe fahren finden am Mittag keinen Parkplatz mehr. Das Schild „Parking full“ ist unübersehbar am Strassenrand aufgestellt und die Verkehrshelfer haben den Parkplatz abgesperrt.
Von der Passhöhe aus gibt es mehrere längere und kürzere Trails in die grossartige Bergwelt. So sind die vielen Parkplätze meist für einen halben oder den ganzen Tag belegt. Auf der Nationalparkkarte (Glacier und Waterton NP) sind über 70 Primitiv Campgrounds eingezeichnet, die nur zu Fuss erreichbar sind. Mehrtägige Wanderungen sind in der Hochsaison sehr beliebt. Über 1'000 km Wanderwege bietet der Park. Wir fahren von der Passhöhe in tiefere Regionen zum Saint Mary Lake und geniessen unser Picknick. Im kleinen Ort Saint Mary besuchen wir das Visitor Center, wo wir Infos über den Park erhalten. Alle drei Campingplätze im Ort sind wirklich voll. Es ist immer noch Hochsaison. So suchen wir und andere in der Umgebung einen gratis Übernachtungsplatz. Ein paar Kilometer aus- serhalb Saint Mary, abseits der Route 89, werden wir fündig. In der Nähe grasen auch ein paar Rinder.
Die unberührte Natur um uns herum ist so riesig, dass wir den Tieren kaum in die Quere kommen. Eine ruhige, kurze Nacht verbrachten wir in leicht hügeligem Gelände.
Morgens um 5 Uhr klingelt das Handy. Eine halbe Stunde später sind wir bereits auf der Passstrasse wieder unter- wegs. Um 6.50 Uhr Stellen wir unseren Camper auf der Passhöhe ab und staunen wie viele Fahrzeuge bereits auf der Passhöhe parkiert haben. Gegen 8 Uhr heisst es wieder „Parking full“. Wer später kommt muss unterhalb der Passhöhe einen Parkplatz suchen, doch auch diese sind schnell besetzt. Die Shuttlebusse haben Hochbetrieb. Sie bringen laufend mehr Leute ins schöne Wandergebiet.
Familien und kleine Gruppen haben Frühstück auf dem Geh- steig, andere kochen auf der Pickup-Ladebrücke ein anstän- diges Frühstück. Viele machen sich gut gestärkt und warm gekleidet auf eine Wanderung. Wir geniessen unseren Müesli-Zmorge mit feinen Früchten und Kaffee in der war- men Camperkabine. Gegen 9 Uhr machen wir uns auf den Weg zum Hidden Lake, der eingebettet zwischen dem Clements Mountain, 2670 m, und dem Reynolds Mountain, 2781 m, liegt. Die Sonne kämpft sich durch die Wolkendecke und der blaue Himmel nimmt gegen Mittag überhand.
Die Wildblumen leuchten aus den Wiesenflächen. Viele Columbian Ground Squirrel und Murmeltiere fressen ihre Blüten. Unterwegs treffen wir auf eine Gruppe Mountain Goats (Schneeziegen). Unter den zehn Schneeziegen waren auch drei Jungtiere. Wir konnten die Tiere längere Zeit beobachten wie sie die verschiedenen Wiesen- gräser für ihr Frühstück auswählten. Später beobachten wir zwei Schneeziegen, die auf einem Schneefeld mit Schnee ihren Durst stillten. Die Murmeltiere haben sich an die vielen Wanderer ge- wöhnt. Wir lesen auf einer Infotafel, dass die Tiere in dieser Gegend nur eine kurze Sommerzeit von drei bis vier Monate geniessen können. Acht Monate verbringen sie in der Höhle unter der Schnee- decke. Unsere Foto-Wanderung dauerte bis gegen 12.30 Uhr.
Noch immer rollen pausenlos Fahrzeuge über den Loganpass. Die sechs Campgrounds entlang der Passstrasse sind alle full, auch für die nächsten Tage und Wochen. Wer im Park in einem Zimmer übernachten will, sollte die Reservierung ein Jahr im Voraus machen. Die Gletscher im Nationalpark werden jährlich kleiner. Die Prognosen, so steht es in den Parkunterlagen, sehen düster aus. Gegen 2030 könnte das letzte „ewige Eis“ aus diesem Teil der Rockies geschmolzen sein. Ob dann der Glacier NP einen neuen Namen braucht? Bestimmt werden dann noch immer die roten „Open-air-Oldtimer“ über den Loganpass fahren und den Touristen erzählen, wie gross die Gletscher früher einst waren. Als wir den Parkplatz verlassen, meldet der Verkehrsleiter zur Einfahrt: „ Two cars leave the parking.“ Zwei Fahr- zeuge die zufällige an der Parkplatzeinfahrt vorbeifahren haben Glück. Sie können auf den Parkplatz fahren und die freien Plätze suchen. Wer im Glacier NP in der Hochsaison bei schönem Wetter wandern will, sollte vor 8 Uhr auf der Passhöhe sein oder mit dem Shuttlebus fahren.
Waterton Lakes Nationalpark, Kanada
Der Park grenzt an den Glacier NP auf der US-Seite. Wir fahren von St. Mary über Babb zur Grenze. Der kleine Grenzübergang haben wir schon im Jahr 2010 besucht, da er zwischen den beiden Nationalparks liegt. Nach drei Minuten sind die mündlichen Formalitäten erledigt und wir fahren zum Waterton Lakes NP. Einen sehr grossen Waldbrand im letzten Jahr vernichtete grosse Gebiete im Park. Im Nationalpark Informationsheft lesen wir:
„Am 30. August 2017 bemerk- ten, nach einem intensiven Gewitter, die Verantwortlichen vom Parks Canada Fire in Waterton Lakes einen Waldbrand 10 km vor der Grenze zu Britisch Columbia. Heisses Wetter, starke Winde und eine extreme Trockenheit begünstigten das Feuer. Parks Canada arbei- tete eng zusammen mit anderen Fire-Gruppen als sich der Waldbrand weiter ausbreitete. Feuerwehrleute sorgten für eine Unterbrechung der Treibstoffleitungen und Helikopter warfen Was- ser an den Hotspots ab, um zu verhindern, dass sich das Feuer weiter ausbreitet. Ausserdem wurden Infrastruktureinrichtungen wie Picknick-Unterstände, Restrooms mit feuerhemmenden Mitteln besprüht.
Im Städtchen Waterton sind zahlreiche Wasserpumpen und Sprinkleranlagen installiert worden, um die Häuser, Bäume, Sträucher und andere Einrichtungen zu schützen. Brennbare Sachen wurden aus der Stadt entfernt. Eine Evakuierung wurde vorbereitet. Am 8. September meldete die Wetter- prognose viel Wind und weiterhin trockenes, heisses Wetter, so dass eine Evakuierung des Ortes angeordnet wurde. Das Kenow-Wildfire hatte sich am 11. September in Waterton Lakes festgesetzt und sich weiter nach Cameron Valley entlang dem Akamina Parkway, 16 km und dem Red Rock Parkway, 15 km, ausgeweitet.
Später am Abend wurden Flammen nördlich von Crandell Mountains gesehen. Der Waldbrand breitete sich mit gros- ser Geschwindigkeit Richtung Norden aus. Das Feuer hat sich durch das Gras entlang der Parkeinfahrtsstrasse weiter ausgebreitet und sich Richtung Norden und Osten fort- gesetzt in die angrenzende Umgebung vom Nationalpark. Insgesamt wurden 38'000 Hektaren Wald vernichtet, davon 20'329 Hektaren im Waterton Lakes NP. Der Waldbrand hatte eine grosse Auswirkung auf den Nationalpark. Stras- sen, Brücken, Schutzeinrichtungen, Parkplätze, Picknick- plätze und andere Infrastruktureinrichtungen wurden zerstört. Auch die Wasserversorgung und das Stromversorgungsnetz wurde nicht verschont.“
Die Fotos vom Waldbrand in dem Informationsheft Waterton Lakes NP sind sehr eindrücklich. Wir sehen vor Ort an den Berg- hängen grosse Waldgebiete, wo nur noch schwarze, kahle Baum- stämme stehen. Wir spazieren am See entlang, wo sich ein paar Windsurfer auf dem Wasser austoben. Der Strandweg ist neu und schön gestaltet und auch der Campingplatz am See, der gut besetzt ist, hat neue WC- und Duschanlagen. Im 2010 über- nachteten wir hier auf dem Camping inmitten von Wildtieren. Wir erinnern uns noch gut, wie die Tiere um unseren Camper herum am Äsen waren. Wir konnten damals von der Camperkabine aus fotografieren. Das nostalgische Prince of Wales Hotel auf einer Anhöhe mit Blick auf den Waterton Lake wurde mit viel Aufwand vor dem Feuer geschützt und überlebte. Wir besuchten das alte Gebäude und schauen uns alte Fotos an. Zurzeit können wir etwa die Hälfte des Nationalparks nicht besuchen. Verschiedene Zufahrtsstrassen sind immer noch geschlossen. Es wird mehrere Jahrzehnte dauern, bis sich der Wald an den Berghängen erholt hat.
Waterton Lakes NP – Banff
Vom kleinen Ort Waterton Lakes fahren wir über Pincher Creek nach Coleman. Dort zweigen wir ab auf die Forestry Trunk Road. Die Gravelroad führt auf der Ost- seite der Rockies nach Norden. Die Forststrasse schlängelt sich durch eine bewaldetet Landschaft, wo wir zwischendurch auch grüne Wiesen und Rinder sehen. Zahlreiche schöne Plätze auf dem Public Land laden ein, um einen Tag oder länger zu bleiben. Wir übernachten am Livingstone River ein paar Meter über dem Fluss.
Etwas entfernt hat ein Fischer seinen Trailer abgestellt. Es kam zu uns und wollte wissen, ob wir fischen und wie wir diesen Über- nachtungsplatz gefunden haben. So kamen wir ins Gespräch und er meinte, dieser Platz sei ein Mekka zum Fischen. Im Fluss gebe es sehr viele Forellen. Ein neues Hobby wollten wir uns trotz fisch- reichem River nicht zulegen. Der freundliche Campingnachbar hatte Recht. Am nächsten Morgen nach dem Frühstück beobachteten wir einen Mann und eine Frau, die mit der Angelausrüstung zum Fluss hinunter stiegen. Die Frau stand am Wasser und schwenkte die Fischerrute. Keine Minute später hatte sie bereits einen grossen Happen an der Angel. Tja, gewusst wo und wie, und schon hat man Fische genug für Tage.
Wir fahren zurück auf die Gravelroad wo noch fast 100 km Staub- strasse zu meistern war. Die Strecke führt uns durch das Kananaski Country und später auf den Highwood Pass, 2206 m. Im Bow Valley erreichen wir den HYW 1 der uns nach Banff führt. Über die Tunnel Mountain Road gelangen wir zu den drei Nationalpark Camping- plätzen. Die 1'000 Stellplätze waren alle besetzt. An einer langen Strasse im Campground platzieren die Ranger viele weitere Reise- mobile und Trailer. So können wir die Infrastruktur vom Camping nutzen und den Staub von der Gravelroad unter der Dusche ab- spülen. Der Blick ins grosse Flusstal vom Bow River ist am Abend besonders schön. Mehrere Boote gleiten wie Spielzeuge auf dem ruhigen Fluss dahin.
Am nächsten Tag spazieren wir durch das schmucke Städtchen Banff. Der Mittelstreifen der Strasse ist mit vielen Blumenkisten schön geschmückt. Das Gebirgspanorama ist mit einem leichten Dunstschleier überzogen. Je weiter wir später Richtung Lake Lousie fahren, nahm der Staub in der Luft zu. In Lake Lousie hören wir von Reisenden, dass es westlich der Rockies mehrere grosse Waldbrände gibt. Der Wind verfrachtet Asche und Staub bis nach Calgary. So gibt es für uns zwischen Lake Louise und Jasper nur wenige Fotostopps.
Als wir am Abend in Jasper auf dem Overflow Camping unser Fahrzeug abstellen, war die ganze Umgebung voll Aschenstaub. Die Sonne schien als orange Kugel durch die Dunstschicht und liess die Bergketten nur noch als dunkle Umrisse erkennen. Über Nacht legte sich eine feine Aschen- schicht auf die Kühlerhaube. Zum Glück meldeten die Wet- terprognosen Regen an, so dass wir wieder auf klare Luft hoffen können.
Ausflug zum Maligne Lake
Am Wochenende spülte der Regen die Aschenschicht aus der Luft. Am Montagmorgen zeigte sich der Himmel in strahlen- dem blau mit ein paar Wolken. Wir fahren zum Maligne Lake und besuchen unterwegs den tief eingeschnittenen Maligne Canyon. Wir wandern der Kalksteinschlucht entlang bis zur 5th Brigde hinunter und zurück. Später am Maligne Lake konnten wir uns weder für die teure Schifffahrt (60.- SFR für 90 Minuten pro Person) noch für die teuren Kanus entscheiden. Wir wan- dern dem glasklaren See entlang und nehmen den Mary Schaeffer Loop unter die Füsse. Unterwegs beobachten wir Rotwild, das die Knospen von den Bäumen frisst. Der Maligne Lake ist ein beliebtes Ausflugsziel und hat entsprechend viele Touristen. Am Abend kehren wir auf den Wapiti Campground zurück, wo wir noch eine Nacht bleiben.
Jasper – Prince George – Terrace
Der Yellowhead HWY von Jasper über Prince George nach Terrace hatte bedeutend weniger Verkehr. Prince George ist ein Knotenpunkt von der Ost-West und Nord-Süd Achse von den Strassen und der Eisenbahn. Für Reisende dient die Stadt zum Einkaufen und für Service-Arbeiten aller Art. Die Holz- industrie mit ihren Verarbeitungsbetrieben sind nicht zu über- sehen. Ebenso die vielen Holztransport-Lastwagen, die ihre Baumstämme fast pausenlos zuliefern. Lange Güterzüge be- laden mit Schnittholz und Holzschnitzeln sehen wir unter- wegs.
Der schöne Campingplatz am Fraser Lake hatte nur wenige Gäste. Die Sicht auf den See war wieder trüb und neblig. Irgendwo in der weiten Umgebung gab es Waldbrände. Am Abend konnten wir noch kein Feuer am Horizont entdecken. Am nächsten Morgen sahen wir über dem See am anderen Ufer eine sehr lange Rauch- fahne auf den bewaldeten Berghängen. Helikopter flogen mit Wassersäcken zu den Hotspots. Der Wind verfrachtete das Feuer und die Rauchschwaden über weite Strecken. Aus der Ferne sahen wir wie schnell sich das Feuer der Bergkette entlang ausbreitete. Später vernahmen wir von anderen Reisenden, dass der Campground geschlossen wurde.
Das Wochenende verbrachten wir in Terrace. Auch hier lebt die Stadt hauptsächlich von der Holzindustrie. Es ist die letzte grössere Stadt auf dem Weg nach Norden bis Watson Lake, später bis nach Whitehorse. Bevor wir in die Wildnis und in die abgelegenen Orten des Yukons und Alaska aufbrechen, wollen wir die Pneus erneuern. Am Montagmorgen um 10 Uhr haben wir einen Termin in der Werkstatt. Ein Pneu hinten hat eine grosse seitliche Ausbuchtung, die uns zur Vorsicht mahnt. Der letzte Reifenwechsel liegt 2½ Jahre zurück und in der Zwi- schenzeit haben wir viele Tausend Meilen raue Asphaltstras- sen und Gravelroads gefahren.
Der Pneuspezialist in der Garage meinte, die seitliche Beule am Hinterrad hätte jederzeit platzen können. Tja, dann wird’s echt teuer. Seit Reisebeginn im April 2010 haben wir zwischen Alaska - Feuerland und zurück rund 180'000 Kilometer mehr auf dem Tacho. Noch haben wir das Privileg, ohne Plattfuss über die Run- den gekommen zu sein! Jetzt auf der 9. Reiseetappe nach Norden sind wir besonders vorsichtig. Wir lesen in unseren Reiseunter- lagen, dass das Pannenfahrzeug für einen Einsatz in abgelegenes Gebiet schnell ins Geld geht. Mit fünf bis sechs Dollar pro Kilo- meter müsse man rechnen, wenn man irgendwo in der Wildnis liegen bleibt. Im Norden von Kanada und Alaska sind ja ein paar Hundert Kilometer keine Distanz. Nach einer Stunde sind die neuen Reifen montiert, die Stossdämpfer kontrolliert. Unser Menüplan bestimmt die Einkäufe bei Walmart für die nächsten Tage. Die Auswahl an Frischprodukten, Früchte und Gemüse ist gross, nur das gute, knusperige Brot suchen wir ver- gebens.
Unterwegs auf dem Cassiar Highway nach Watson Lake
In Hazelton und in der Ortschaft Gitanmaax besuchen wir ein Indianerdorf mit Totem Poles. Eine Hängebrücke bringt uns über den Hagwilget Canyon des Bulkley Rivers. Die nachgebauten, aneinandergereihten Langhäuser haben von Glanz und Farbe in den letzten Jahren einiges verloren. Die Totempfähle sind aber sehr sehenswert. Seit die Anlage des Dorfes 1970 als Touristenattraktion aufgebaut wurde, ist der Unterhalt an den Hausfronten arg vernachlässigt wor- den. Schade!
Von Kitwanga fahren wir auf dem Cassiar Highway nach Norden. Im kleinen Indianerdorf Gitanyow bewundern wir eine Gruppe sehr schönen und alten Totem Poles in der Morgensonne. Die kostbaren Schnitzereien zeugen von alter indianischen Kunst und ihrer Tradition. Die reichverzierten Rotcedern-Baumstämme sind hoch und teilweise bis zu den Stammenden bearbeitet. Die grossartigen Kunstwerke stehen in mitten einer schönen Naturlandschaft. Die umliegenden Häuser im kleinen Dorf, sind mit wenigen Ausnahmen, alles andere als einladend. Weit verstreut um die Häuser liegt eine Menge Abfall und Müll, die den schönen, alten Totempfählen nicht würdig sind. Selbst beim Foto- grafieren achten wir wo wir hinstehen. Aus dem kleinen Dorf Gitanyow könnte man einen interes- santen und einladenden Ort gestalten, wenn rund um die Häuser der Müll weggeräumt würde. Gäbe es noch ein paar Infotafeln zur Geschichte der Indianer und über die Totem Poles, die Besucher würden länger bleiben und dem Dorf etwas bringen. Selbst das Museum auf dem Gelände zeigt die Tafel „closed“, und dies schon längere Zeit. Schade! Kaum sind wir wieder auf dem Cassiar Highway gibt es keinen Müll mehr. Die 727 Kilometer lange Strasse wurde erst 1972 für den Verkehr geöffnet. Damals wurde sie überwiegend von Lastwagen benutzt. Heute ist die Route bei Reisenden beliebt, die den Norden auf schmalen Strassen entdecken wollen.
Im sehr schönen Provincial Park am Meziadin Lake fahren wir auf den Campground und stellen das Fahr- zeug direkt am See ab. Und wie meist an solchen Orten kommen wir mit den Nachbarn ins Gespräch. Später nehmen wir ein kühles Bad im klaren Meziadin Lake, wo auch schon Bären geschwommen sind. Später entdecken wir einen jungen Weisskopfseeadler über dem See kreisen.
Tags darauf fahren wir ins 65 km entfernte Ort Steward, später nach Hyder. Leichter Nieselregen begleitet uns. Hyder liegt auf dem Boden Alaskas. Im August 2010 hatten wir diesen Ort besucht und den Bären im Fish Creek beim Fressen der Lachse zugeschaut. Heute haben wir keine Bären gesehen, aber der Fish Creek ist voll von Lachsen. Grosse Fische schwimmen im kleinen Fluss gegen den Strom und springen über kleinere Schwellen. Der Fish Creek bietet auch ein trauriges Bild, da unzählige tote Fische im Fluss liegen.
Die 37 km lange Gravel- road zum Salmon Glacier, der am äussersten Süd- zipfel Alaskas liegt, fah- ren wir gemütlich. Bis zum Summit Viewpoint steigt die Strasse auf 1120 m an. Unterwegs treffen wir Reisende aus Deutschland und der Schweiz. Ein Deutscher der die Bergstrecke hochfuhr, kurbelte die Scheibe runter und meinte: „ Ist in der Schweiz noch jemand zuhause?“ Tja, die Schweiz ist in Kanada, was das Reisen betrifft, wirklich sehr gut vertreten. Jung und Alt sind mit gemieteten oder eigenen Fahrzeugen unterwegs.
Der Nebel verhindert die freie Sicht auf den Gletscher. Ab und zu öffnet sich ein kleines Fenster und die Sonne beleuchtet das grosse Eisfeld. Gegen Abend fahren wir nach Hyder zurück und blicken noch einmal in den Fish Creek. Wir sehen keine Bären, nur Salmen in grosser Zahl, die sich die besten Laichplätze aussuchen. Wir machen uns auf den Weg nach Meziadin Junction und von dort fahren wir auf dem Cassiar HYW 37 Richtung Watson Lake. Bei der Restarea (Picknick-Platz) Bell 1 biegen wir ein zum Übernachten. Zwei Einheimische haben ihre Fahrzeuge mit Trailer bereits abge- stellt und sitzen in den Campingstühlen vor dem Wohnwagen. Wir kommen ins Gespräch. Sie haben heute auf dem Cassiar HWY 37 mehrere Bären gesehen, ganz in der Nähe wo wir jetzt übernachten. Einer der Männer ist ausgerüstet mit einem Gewehr.
Wir erhalten von ihnen die neusten News zu den Waldbränden in British Columbia. So erklärt uns der Ältere, dass man auf dem Satellitenbild von British Columbia 565 Waldbrände gezählt hat. An den meisten Orten können sie nur noch die Leute evakuieren. Die Feuerwehrleute sind kaum in der Lage, die Waldbrände in dem riesigen Gebiet zu löschen. Am Fraser Lake und in Burns Lake wo wir vor ein paar Tagen die Dunstschicht in der Luft sahen, muss es besonders schlimm sein. Auf der Strecke nach Watson Lake, die wir morgen unter die Räder nehmen, gibt es auch einen Waldbrand bei der Abzweigung zum Telegraph Creek, erklärten uns die Kanadier. Wir hoffen, dass die Strasse Cassiar 37 nicht gesperrt werden muss, wegen dem Waldbrand.
Wir spazieren zur grossen Brücke am Bell-Irving River, als eine Einheimische mit einem PW anhält. Sie muss Benzin aus dem Kanister nachfüllen. Sie erzählt uns, dass 8 Bären auf der Strasse unterwegs seien mit Jungtieren. So übernachten wir in einer schönen Wildnis, wo sich auch die Bären wohl fühlen. Zum Glück haben wir eine feste Kabine und kein Zelt. Am nächsten Morgen machen wir uns auf den Weg nach Watson Lake. Der sehr spärliche Verkehr, der aus Norden kommt, verrät uns, dass die Strasse noch offen ist. Gegen Mittag sehen wir Dunst und Rauch vor und bei der Abzweigung zum Telegraph Creek. Am Abend übernachten wir noch einmal auf dem Cassiar HWY bei Jade City.
Der sehr kleine Ort zählt zu den grössten Jadefundstellen weltweit. Der grüne Edelstein wird hier noch aktiv abge- baut.
Leider arbeitete niemand an den zahlreichen Steinbe- arbeitungsmaschinen (schneiden und schleifen), so dass wir nur im Souvenir Shop die fertigbearbeiteten Jade Steine bestaunen konnten. Der Boya Lake im Provincial Park mit dem glasklaren, türkisfarbenen Wasser ist ein toller Ort für die Kanusportler. Zurzeit ist der Campground schwach besetzt, da das Wetter weder zum Baden noch fürs Kanu einlädt.
Watson Lake
Berühmt ist der Ort mit seinen 1450 Einwohnern vor allem durch den Schilderwald, der 2009 sogar auf einer kanadischen Briefmarke zu Ehren kam. Was einst als Sign Post begann kann man heute zu Recht als Sign Post Forest bezeichnen. Die Geburtsstunde des Schilderwaldes legte der heimwehkranke Soldat Carl K. Lindley aus Danville, Illinois. Während den Bau- arbeiten am Alaska Highway 1942 hat er mit einem Schild aus seinem Heimatort mit der Aufschrift „Danville , Illinois, 2835 miles“ den Grundstein gelegt. Zurzeit dürften etwa 80'000 Ortstafeln, Wegweiser, Autonummern und andere Schilder den Sign Post Forest schmücken. Die Stadt muss laufend neue 3 – 4 m hohe Pfosten aufstellen, damit die vielen Schilder aus aller Welt befestigt werden können. Unser Land ist mit zahlreichen Ortschildern, Wegweisern und anderen Schildern recht gut vertreten.
Von Watson Lake fahren wir auf dem Alaska HWY nach Whitehorse und von dort auf dem Klondike HWY nach Dawson City. Im Visitor Center holen wir die neusten Infos zu den Strassen im Northwest Territories. Unsere letzte grosse Herausforderung auf dem amerikanischen Kontinent steht bevor. Schaffen wir den Dempster Highway? Eine Stichstrasse der üblesten und dreckigsten Gravelroad über eine Länge von 736 Kilometer bis nach Inuvik. Ob unser Abenteuer gelingt, darüber berichten wir im nächsten Monat.
Und zum Schluss noch eine Randnotiz. In Jasper spazierten wir durch das kleine Städtchen und streckten da und dort den Kopf in die verschiedenen Shops. Da entdeckte Regine in einem Souvenir Laden ein passendes T-Shirt für mich. Sie wollte es mir gleich kaufen, doch ich lehnte dankend ab. Was bei uns zutrifft, muss doch nicht alle Welt bei mir auf der Brust lesen können!
"I tried to retire, but now i work for my wife!"