Reisebericht
Peru
Die Grabstätten von Sipán
Im Tal des Rios Reque liegt der kleine Ort Sipán, ca. 28 km süd- östlich der Stadt Chiclayo. Im Jahre 1987 entdeckte man hier ein sensationelles Grab. Neben einfachen Gräbern wurde das unbe- rührte Grab eines (vermutlichen) Mochica Herrschers entdeckt. Worin die archäologische und historische Bedeutung besteht, präzisierte der Leiter der Ausgrabungen, Dr. Walter Alva: “Die heute gewonnen Daten stellen einen wichtigen Schlüssel für die Kenntnis der Mochica-Gesellschaft dar und zeigen ausserdem, dass ein ein- ziges wissenschaftlich erforschtes Grab mehr Informationen bietet als Tausende von Fundstücken derselben Kultur, die ohne archäo- logischen Zusammenhang und Befund in den Sammlungen und Museen zu sehen sind.“
Auf dem grossen Parkplatz bei der Ausgrabungsstätte Huaca Rajada Sipán können wir gut und kostenlos übernachten. (S 6.79919 W 79.60021) Wir besuchen das kleine Museo de Sito, nur wenige Meter von den Ausgrabungsstätten entfernt. Die Ausstellung zeigt Karten, Fotos und Nachbildungen aus den Grabfunden. Die original Grab- beigaben von Sipáns Königsgräbern sind im Museo Tumbas Reales de Sipán in Lambayeque als peruanischer Nationalschatz ausge- stellt.
Wir besuchen das Ausgrabungsgelände, wo eine Nach- bildung mit Replikaten zu sehen ist. Zwei grosse Adobepyramiden, aus Lehmziegeln gebaut, prägen das Gelände. Die äussere Erscheinung lässt kaum vermuten, dass auf dem Gelände bis 2010 über 15 Gräber freigelegt wurden.
Die Blütezeit der Mochica (100 - 800 n.Chr.) erreichte ihren Höhepunkt um 500 n.Chr. Um in der menschenfeindlichen Küstenwüste überleben zu können, bauten die Mochica ein riesiges Bewässerungssystem mit kilo- meterlangen Aquädukten. Ein 110 km langer Kanal bewässert zum Bei- spiel die Felder bei Chan Chan. Sie waren Baumeister der höchsten Lehm- pyramiden Südamerikas. Diese sind sehr stark verwittert und durch Um- welteinflüsse kaum als solche noch zu erkennen. Doch was die grossen Lehmpyramiden im Innern noch alles verbergen, weiss man nicht. Die Grabbeigaben des Herrschers von Sipán waren sehr zahlreich und kost- bar. In seinem Grab wurden grosse Mengen von Gold und Silber, Schmuck, Keramik und geschnitztem Holz von unschätzbarem Wert ent- deckt.
Unter anderem eine dreiteilige goldene Totenmaske, Brustschmuck, Hüftschild aus Gold und Silber, goldener Nasenschmuck und silberne Sandalen. In der Grabkammer untergebracht waren Skelette von acht weiteren Menschen, die beim Tod des Herrschers getötet wurden und ihn ins Jenseits begleiteten. Man vermutet, dass der Grabwächter, drei junge Frauen, drei Mochia-Krieger während der Grabzeremonie geopfert wurden. Skelette von zwei Lamas, eines Hundes und eines etwa zehnjährigen Jungen befanden sich in der untersten Grabschicht. Es wird vermutet, dass die Huaca Rajada ein Begräbnisplatz einer ganzen Dynastie war. Wegen den kostbaren Grabbeigaben könnte der Reichtum Sipáns einst unermesslich gewesen sein.
Am nächsten Tag besuchten wir das Museo Tumbas Reales de Sipán, das zu den besten Museen Perus gehört. Auf dem riesigen, bewachten und eingezäunten Parkplatz konnten wir übernachten. (S 6.70591 W 79.90000)
Der moderne Bau, geformt wie eine Adobe-Pyramide, beherbergt die kostbaren Grabschätze des Herrschers von Sipán. Kamera- verbot im Museum! Schade!
Strassenumzug in Huaraz – wer „schupst“ uns hinten?
Die Stadt Huaraz liegt auf 3090 m und hat ca. 50'000 Einwohner. Sie ist Aus- gangspunkt für den Besuch vom Nationalpark Huascarán. Die Stadt wurde 1958 von einer gewaltigen Eislawine und 1970 von einem schweren Erdbeben zerstört. Im Hotel Real Huascarán (drei Sterne) konnten wir auf dem grossen Parkplatz übernachten. (Baños, Strom, WiFi kostet 30 Soles, etwa SFR 11.-) Ein sicherer guter Platz inkl. einer Bar am Abend. Wenn man hier in Peru drei Sterne für ein Hotel vergibt, dürfte das in der Schweiz kaum für einen reichen. Andere Länder, andere Sitten. Wir machen uns auf den Weg in den südlichen Teil des Nationalparks Huascarán, wo einige der schönsten Sechs-Tausender mit Gletschern zum Greifen nah sind.
Ob wir die Puya Raimondi-Pflanzen noch blühen sehen werden, ist unge- wiss. Kaum sind wir auf der Haupt- strasse wird der Verkehr umgeleitet. Ein langer, farben- prächtiger Umzug nimmt die Hälfte der Durchgangsstrasse in Beschlag. Musikgruppen, Schulklassen und andere Grup- pen marschieren fröhlich durch die Stadt. Einige tragen „Stopp Aids Plakate“ mit sich. Wir fahren im Schritttempo. Alle paar Meter steht ein Polizist, der den Umzug und den Verkehr im Auge behält. Wir fahren ca. 20 m und halten wieder. Ein paar Sekunden später „müpft“ uns ein Peruaner von hinten.
Scherben klirren, Blech verbiegt sich, doch in der lauten Umzugsmusik nimmt dies kaum jemand war. Ich steige aus, besichtige den Zwischenfall. Der Fahrer hinter uns hatte auf den Umzug geschaut und ist im Schritttempo auf uns auf- gefahren. Kann ja passieren, bei diesem Umzugstrubel. Unsere massive Konstruktion hinten (seit Belize) wurde dem Fahrer zum Verhängnis. Front, Kühlerhaube und Scheinwerferlicht eingedrückt. Unser Schaden hält sich in Grenzen. Nummernschild schräg gedrückt und das Alu-Profil bei der Türe bekam leichte Dellen und Kratzer. Glück gehabt! Ich fordere den Peruaner auf eine herumstehende Polizistin zu rufen, damit wir den Sachverhalt klären können. Der Umzug marschiert mit Jugendlichen an uns vorbei. Eine junge Polizistin schaut sich die „Mini-Karambolage“ genauer an.
Sie verlangt von uns die Ausweispapiere. Der Peruaner, ca. 35-40 Jahre alt, hatte nichts. Keinen Führerschein, keine Fahrzeugpapiere, keine Versicherung, keinen Personalausweis, nichts! Sein Fahrzeugzustand war allseitig sehr ramponiert. Mit der eingedrückten Front kam das Fahrzeug dem Schrottplatz näher. Die Polizistin schüttelte den Kopf und macht den Peruaner erneut auf die Ausweispapiere aufmerksam. Nada, nada! Ich schlage dem Peruaner vor 100 Soles (SFR. 35.-) als Reparaturbeitrag zu zahlen. Ich würde den Schaden an unserem Fahrzeug selber instand stellen. Er habe kein Geld, sagte er, und zog ein schönes Handy aus der Tasche und machte ein paar Anrufe. Mit meinem Fotoapparat dokumen- tierte ich die Situation und nahm gleich den Fahrer und die Polizistin mit aufs Bild. Die Polizistin war überfordert: ihr Landsmann hatte keine Papiere, kein Geld, fährt Auto und hat ein funktionierendes Handy. Einen solchen Unfall, wenn auch nur im Miniformat, hatte sie noch nie in ihrer Karriere. Wir haben es nicht eilig, der Peruaner schon.
Der Umzug ist längst ausser Sichtweite, als die Polizistin etwas Verlegen meint, der Unfallverursacher habe kein Geld, um uns zu entschädigen. Regine sass die ganze Zeit in der Fahrerkabine und hütete unsere Rucksäcke und Wertsachen (Navi, Fotoapparat, usw.) Aus Berichten wissen wir, dass solche Unfälle auch absichtlich verursacht werden. Steigen dann Beide aus der Fahrerkabine aus und gehen zur Hinterseite, ist schnell die Fahrerkabine geplündert. Ruhe bewahren, genügend Zeit haben und die Leute gut be- obachten, lautet unsere Devise. In den Lebensstil, ein bisschen Macho, muss man sich hineinfühlen. Leben ohne Geld, aber mit Auto und Handy, ist machbar. Die Polizistin gibt mir die Ausweispapiere zurück und nimmt den Fahrer beiseite. Den Wortwechsel verstehe ich nicht. Unterhielten sie sich in Quechua? Die Sprache der Inka war Quechua, etwa 47% der Einheimischen sprechen sie. Kurze Zeit später kommt der Peruaner zu mir zurück und zieht eine 100 Soles Note aus dem Hosensack und überreicht sie mir. Per Handschlag ist der Miniunfall für uns erledigt. Für ihn beginnt eine grössere Reparatur, oder vielleicht auch nicht. Das Wichtigste am Auto ist doch die Hupe, alles andere ist doch Nebensache.
Für die Strecke Huaraz – Huánuco – Cerro de Pasco – Lima (758 km) reichen die Vorräte. Wir sind mehrere Tage im Hinterland unterwegs und überqueren einige hohe Pässe. Der Trinkwasser Vorrat ist ausreichend. Wir machen uns auf den Weg zu einer der weltgrössten Blütenpflanzen, der Puya Raimondi. Die Pflanze gehört zur Familie der Ananasgewächse. An einem eng begrenzten Berghang im süd- lichen Teil des Nationalparks Huascarán wachsen sie in der Punalandschaft in Höhen zwischen 3500 – 4500 m. Unsere Puya Raimondi Fotos knipsten wir in über 4300 m Höhe. Die über 10 m hohe Pflanze kann über 100 Jahre alt werden. Die meisten Puya Raimondi blühen erst nach ca. 50 – 75 Jahren. Die Blütezeit ist zwischen Mai und Oktober. Im Dezember ist die Blütenpracht vorbei, doch die schöne, grosse Pflanze ist auch in diesem Zustand bewundernswert.
Aus der kugelartigen Blattrosette wächst ein gewaltiger Blütenstängel. Die Blätter sind mit hakig gekrümmten ca. 1,5 cm langen Stacheln bewehrt. Die Blattoberseite ist glänzend grün bis rötlich, im Alter werden sie strohgelb. Einzigartig sind die 8'000 – 10'000 grüngelben Blütenan- sätze. Wir beobachten mehrere Andenkolibris die in den frühen Morgenstunden um den Blütenstängel schwirren. Sie übernehmen die Bestäubung. Die Puya Raimondi blüht nur einmal im Leben, danach stirbt sie ab. Der Name der Pflanze ehrt den italienischen Naturforscher Antonio Raimundi (1824-1890) der diese Pflanze im Jahre 1874 entdeckte und erstmals beschrieb. In der freien Natur ist sie selten geworden, da sie trotz Schutz- programm als Brennstoff verwendet wird. In diesen Höhen ist Brennbares rar und die Temperaturen fallen tief.
Nicht weit entfernt von diesem Pflanzengarten besuchen wir einen Einheimischen Campesino, der gerade an seinem runden Steinhaus beschäftigt ist. Wir dürfen fotografieren und wechseln ein paar Worte. Ein Leben in der Einsamkeit, ohne Strom, ohne Heizung, kochen mit Viehdung, einfacher geht’s nicht mehr. Das mit Steinen eingezäunte Ferkel streckt seine Schnauze über den Rand und macht sich bemerkbar. Bis auf die Passhöhe entdecken wir weitere Steinhäuser in der kargen, weiten Landschaft. Die einspurige Natur- strasse schlängelt sich durch eine fantastische Gegend. Leider fehlt der blaue Himmel, tief schwarze Wolken ziehen auf.
Ein Lachen auch bei eisiger Kälte!
Auf 4720 m Höhe sassen zwei Indigena - Frauen am Strassenrand und hielten ihre Schaf- und Alpakaherde im Auge. Wir halten an, wechseln ein paar Worte und fragen, ob wir ein paar Fotos knipsen dürfen. Für Nahaufnahmen, Porträts oder Leute an der Arbeit, wird immer gefragt. Wir erhalten ganz wenige „no“ und dann halten wir uns strikte daran. Meist ist es umgekehrt. Viele wollen fotografiert werden und sehr oft zeigen wir ihnen, wie sie auf dem Display aussehen. Mitten im Wortwechsel macht sich ihr Kind, am Rücken warm eingepackt, bemerkbar. Das kleine Kind schiebt sein Tuch vor dem Gesicht beiseite und blickt uns mit grossen Augen an. Strick- arbeiten oder das Verspinnen der Rohwolle zu Garn gehören hier zum Alltag. Auch ihr Zuhause ist ein einfaches Steinhaus ohne Heizung. Trotz ihrem harten, einfachen Leben auf dieser Höhe schenkten sie uns ein herzliches Lachen. Danke!
Durch kleine Dörfer im Hinterland
Unsere Piste führt über den Passo Punta Huarapasca 4780 m und mündet kurz nach dem Passo Abra Yanashalla auf die Teerstrasse nach Huansale. Die grandiose Landschaft hüllt sich in grau. Über La Unión fahren wir hinunter zum Rio Marañón, wo uns die Puente Tingo Chio über den Fluss bringt. Ein Nadelöhr. Gleich an dem schmalen Brückenkopf steht alles still. Fahrzeuge aller Art blockieren die Durch- gangstrasse. Mehrere Strassenküchen servieren Mahlzeiten direkt an der Brückeneinfahrt. Vorsichtig suchen wir einen Weg, der von wild parkierten Autos verstopft ist. Nirgends gibt es einen Quadratmeter freie Fläche zum Anhalten oder Parkieren. Steile Berghänge und eine steile Flussböschung säumen die schmale Durchgangsstrasse. Das Dorfleben ist fixiert auf den Brückenkopf. Wer hier durch will, braucht eine gute Hupe.
Zwischen Huánuco und Cerro de Pasco steigt die Strasse kon- tinuierlich auf 4330 m. Die farbige Landschaft entlang dem Rio Huallage ist sehr schön, wird jedoch von der grossen Minenstadt Cerro de Pasco verschandelt. Die über 70'000 Einwohner brauchen Arbeit. Verdienstmöglichkeiten bieten die Minengesellschaften, die seit vielen Jahren Kupfer-, Zink-, Blei- und Silbererze in der hohen Gebirgswelt abbauen. Harte Jobs! Wenn der Arbeitsplatz zwischen 4400 und 5000 m Höhe liegt, muss man sein Geld hart verdienen. Da ist an manchen Orten der Landschafts- und Naturschutz zweit- rangig. Von den wenigen Touristen, die sich in dieses Gebiet ver- irren, kann niemand leben. Landwirtschaft in dieser hohen Stein- wüste ist undenkbar. Wir steuern das Stadtzentrum von Cerro de Pasco an. Der Ort liegt ein paar Kilometer abseits der Ruta National 3. Die Geisterstadt ist schrecklich, dreckig, hässlich und bietet ein trostloses Bild. Quer durchs Zentrum suchen wir einen Weg und landen zuletzt auf einer grossen Mülldeponie.
Hier arbeiten noch Menschen, sortieren Müll, es ist dreckig, stinkig, einfach unmenschlich. An solchen Orten wird es ruhig in unserer Fahrerkabine. Unser Kopf macht Gedankensprünge, versucht es zu ver- stehen, zu begreifen, es gelingt uns nicht. In dieser Höhe täglich auf den Müllbergen zu arbeiten, über- steigt unsere Vorstellung. Was wäre hier eine Alter- native, fragen wir uns leise. Wir lesen: Wer hier nicht gezwungen ist, sollte hier nicht übernachten. Die Andenstadt, die auch das höchste Kohlenbergwerk der Welt besitzt muss man wirklich nicht be- suchen. Armut und Elend prägen das Bild. Solchen Orten weichen wir aber nicht immer aus. Sie gehören ebenso zu unserer Reise-Philosophie, wie die blühenden Touristenorte. Hier bleibt der Fotoapparat meist eingepackt, solche Bilder behalten wir im Kopf. Die Frage, warum die Menschen hier wohnen, wissen wir nicht. Die Landschaft hat Bodenschätze, die Minen bieten Jobs.
Wir als Durchreisende sehen nur an die Häu- serfassaden, manchmal ein bisschen dazwi- schen. Das eigentliche Elend liegt tief im Berg. Unterwegs sehen wir auch sehr grosse und gepflegte Minendörfer. Mit Reihenein- familienhäuser, Asphaltstrassen, grosse, schön geschmückte Plätze, Strom, Wasser, Schulen, alles sehr grosszügig eingezäunt. Eine Minenstadt auf dem Reissbrett konzi- piert. Sie sind für uns nicht zugänglich. Von aussen betrachtet erscheinen sie luxuriös. Der Besuch von Cerro de Pasco schmerzt, tut weh, ist menschenunwürdig. Der Abschied fällt leicht, wir haben geschnuppert. Die Einheimischen müssen hier bleiben, sie haben keine Alternative. Über die Stadt La Oroya, ein Bergbauzentrum mit trostlosen Wellblechhütten, nehmen wir Kurs zur Pazifikküste.
Die Luft wird dünn - Passo Abra Anticona 4818 m
Nach der Lagune Ticticocha erklimmen wir den Anticona -Pass und steigen hinab ins Tal des Rios Rimac. Strasse und Eisenbahn zwängen sich durch die Schlucht. In endlosen Serpentinen führt die Strasse ins grüne Tal. Die Strecke ist fantastisch, gut ausgebaut, wildromantisch. Der Güterzug auf der anderen Talseite ist am Rangieren. Durch Rück- wärtsfahrten überwindet er Höhenunterschiede. Die Bahn- strecke Lima – Huancayo ist ein technisches Wunderwerk. Sie wurde zwischen 1870-1893 grösstenteils von den Chinesen erbaut. Die Strecke von 332 km führt in über 1100 Kurven und Spitzkehren, 58 Brücken und 69 Tunnels durch ein spektakuläres Andengebiet. Die Ferrocarril Central erreicht bei Galera eine Höhe von 4781 m. Und dies auf einer Streckenlänge von 158 km von Lima her. Leider sehen wir am Tag nur einen Zug.
In der Nacht hörten wir bei Matucana gleich mehrere vorbeirattern.
Auf dem schönen Campingplatz vor dem Ort Matucana (S 11.92212 W 76.63140) füllte man gerade die Schwimmbäder auf, die Saison- eröffnung steht kurz bevor. Auf einer riesigen Wiese konnten wir einen Platz aussuchen. Die Infrastruktur überraschte uns. WC / Dusche, Strom, Tische und Bänke mit Feuerstellen, eine kleine Hängebrücke über den Fluss, Spielplätze und Restaurant. (30 Soles ca. SFR. 11.-) Der Camping liegt auf 1049 m und eignet sich zum Anklimatisieren und ein bisschen Ferien machen. Nach Lima ist es nur noch ein Katzensprung. Wir bereiten uns innerlich auf die Mega-City vor.
Peru – Polizeikontrollen um sich zu bereichern?
Vom Nordosten am Rio Rimac fahren wir Richtung Lima-Stadt. Schon 40 km vor dem Zentrum liegen Vororte mit traurigem Aussehen. Die Route Central teils zwei- und dreispurig ist stark befahren. Hunderte von Kleinbussen kurven schlangenförmig, alle paar hundert Meter stoppend und hupend durch den Verkehr. Mal links mal rechts über- holend, gerade dort wo es Platz hat. Der Fahrstil der Einheimischen ist nicht gerade berauschend, meist kopflos, nicht vorausschauend, jedoch immer eine Hand auf der Hupe. Wir fahren langsam durch eine bessere Strassenallee, wo alle 50 – 100 Meter Uniformierte herumstehen und sich langweilen. Ihre herausgeputzte Uniform macht sie zu kleinen Machtmenschen, die über ihr Königreich herrschen. Wir haben Licht (Pflicht in Peru) und sind mit ca. 35 km/h unterwegs. Laufend werden wir überholt, was uns aber weiter nicht stört. Plötzlich winkt uns ein Hüter der Ordnung per Handzeichen an den Strassenrand zum Anhalten. Fast ein bisschen zu wohlgenährt kommt er an die Fahrerseite und verlangt die Ausweispapiere.
Mit der Passkopie und dem internationalen Führerschein stellt er sich vor das Auto und sucht auf den Papieren unser Nummernschild. Er wendet die Papiere mehrmals, findet aber unsere Kontrollschild- nummer nicht. Ich steige aus, überreiche ihm den Fahrzeugausweis und deute mit dem Finger auf die Nummer. Jetzt überprüft er jede Zahl! Nun kommt er auf unsere „Straftat“ zu sprechen. Wir hätten bei der Strassenkreuzung nicht auf sein Stopp-Zeichen geachtet. Nicht schon wieder diese Masche, dachten wir. Er beorderte uns auf einen Parkplatz, damit wir nicht länger die verstopfte Strasse blockieren. Dass er mit seinem Kollegen am Strassenrand plauderte und dem Verkehr keine Beachtung schenkte, erwähnte er nicht. Auch eine schöne Uniform mit entsprechenden Abzeichen, kann uns nicht mehr einschüchtern. Ich nehme den Peru-Reiseführer und den Fotoapparat zur Hand und steige aus. Ohne zu fragen knipse ich ein paar Fotos von seiner Postur und zeige ihm die Adresse von der Schweizer Botschaft im Lima. Mein Vorschlag jetzt gleich mit ihm dorthin zu fahren, um den Sachverhalt zu klären, passte ihm aber nicht. Er stutzte, war überrascht und fragte anschliessend, ob das ein „Botschafts-Fahrzeug“ sei. Ohne zu zögern ant- wortete ich umgehend: „Si, si!“ Jetzt war er ratlos.
Irgendwie getraute er sich nicht, uns eine ungerechtfertigte Busse auf- zubrummen. An unserem Prinzip, keine korrupten Polizisten zu unter- stützten, halten wir eisern fest. Solche Machenschaften sind für uns Tabu! Er entfernt sich von uns und geht zu seinem Plauderkumpan an der Kreuzung um Rat zu holen. Als er zurück kam, beschwerte er sich, dass unsere Ausweise Kopien seien. Das ist nicht unser Problem. (Originale haben wir nur beim Grenzübergang). Ich erkläre ihm, dass wir die Stadt Lima, Nazca, Cusco und Machu Picchu besuchen wollen. Ich steige ins Fahrzeug und starte den Motor. Er kommt ans Wagen- fenster, gibt die kopierten Ausweise zurück und entfernt sich murrend. Und wie immer in solchen Fällen stellen wir uns die Frage: Wer ist hier eigentlich verantwortlich und wer ist hier zuständig, dass man solche Leute in eine fein gebügelte, mit Abzeichen bestückte Uniform steckt?
Jede Mega-City hat zwei Gesichter – so auch Lima
Unser Taxifahrer der uns ins historische Zentrum brachte, meinte, Lima habe mehr als 10 Mio. Einwohner. Dass dies mehr seien, als unser Land Suiza insgesamt habe, konnte er kaum glauben. Unser Land war ihm nicht unbekannt. Worte wie chocolate, relojs und bancos waren ihm geläufig. Solche gigantische Mega-Städte haben meist zwei Gesichter. So könnten wir jetzt mehrere Seiten schreiben über die nega- tiven Aspekte. Das wollen wir nicht, obwohl viele, viele Probleme eine Realität sind. Ein paar greifen wir heraus. Was uns natürlich keine Freude bereitet, ist das totale Verkehrschaos, die sehr undisziplinierten Bus- und Taxifahrer mit ihrem Gehupe und den schwarz qualmenden Abgasen. Oder nehmen wir Limas Wasserproblem. Fast ein Drittel der peru- anischen Gletscher sind abgeschmolzen und Lima bezieht 95% des Wasserbedarfs aus diesem Berggebiet. In der Cordillera Blanca gibt es die höchsten und grössten tropischen Gletscher weltweit. Sie sind ein wichtiges Wasserreservoir für die Region und das ganze Land. Lima lebt vom Gletscher- wasser.
Nur 80% der Stadtbewohner haben einen Wasseranschluss im Haus. Zwei Millionen Menschen erhalten „Agua potable“ aus einem Wassertanklastwagen. Die Wasserqualität ist oft sehr fragwürdig. Die Wassertanklastwagen sind alt und schmutzig, die Wasserqualität nicht trinkbar. Man muss das Wasser abkochen, dann ist es geniessbar. 40% des Trink- wassers verliert die Stadt in ihrem undichten, alten, ver- rosteten Leitungsnetz irgendwo im Untergrund, inklusive Wasserdiebstahl. Das Ziel der Regierung lautet: Wasser für Alle! Die riesige Stadt hat gerade mal fünf kleine Kläranlagen, die 10% des gesamten Abwassers reinigen. 90% des Schmutzwassers fliesst ungereinigt direkt ins Meer. Wir haben die schäumende, braune, unappetitliche Meeresbrühe gesehen. Badegäste am schönen Sandstrand sucht man ver- gebens. Dass die zahlreichen Wellensurfer hier nicht eine oder mehrere Krankheiten auflesen ist verwunderlich.
Ein Deutscher Tourist der mit uns auf dem Doppeldeckerbus eine Stadtrundfahrt machte, sagte: „Er freue sich heute Abend im Hotel auf den Fisch. Von wo denn die vielen Fische in der Stadt herkommen,“ wollte er wissen. Wir blieben ihm die Antwort schuldig. In der Stadt gibt es aber auch Viertel wo genügend Wasser vorhanden ist. Der Kubikmeter Wasser ab dem Hahnen kostet gerade mal ca. 50 Rappen. Dafür bezahlen die armen Leute für den Kubikmeter Frischwasser ab dem Lastwagen 10 Soles (ca. SFR 3.60). Wie lange werden die Gletscher noch die trockene Stadt Lima versorgen?
Auf der Suche nach Negativpunkten müssten wir in die Randgebiete, in die Elendsviertel fahren, doch das ist für uns zu gefährlich. Im Zentrum der Stadt sind wir auch am späten Abend noch sicher. Doch auch mitten in der Stadt besuchen und fotografieren wir Missstände. Ein Bummel durch die schmalen Gassen des Druckereigewerbes lässt aufhorchen. Hunderte von Kleinstbetrieben halten die stein- alten Druckmaschinen am rattern. Das Weihnachtsgeschäft läuft gut, wir dürfen fotografieren, einige stellen sich in Pose. Hier wer- den unter anderem auch die grossen Bestseller der Weltliteratur kopiert. Von Raubkopien kann man gut leben, obwohl sie nur gerade 10-20% des Originals kosten. Ob CDs, Bücher oder andere Drucker- zeugnisse, sie sind gefragt auf Weihnachten, wenn es auch alle samt Raubkopien sind.
Für fünf Tage haben wir uns im Stadtteil Miraflores beim Hitchhikers Backpackers Hostal (S 12.12240 W 77.03591) ein- gerichtet. Im Innenhof des sehr sauberen Hotels haben zwei kleinere Reisemobile platz. Die Infrastruktur ist gut, das Fahr- zeug sicher untergebracht. Miraflores ist ein modernes, beleb- tes Stadtviertel. Von den hohen Klippen blicken wir auf die Playa Costa Verde mit ihrem verschmutzten Wasser. Ein toller Gleitschirm-Spot an der steilen Klippenküste zieht viele Besucher an. Der Wind trägt die bunten Schirme recht hoch über die Klippen. Faszinierend wie sie der Küste entlang gleiten und beim Parque Salazar aufdrehen. Beim modernen Einkaufszentrum, das mit mehreren Stockwerken direkt in die Küstensteilwand hineingebaut wurde, gleiten sie über die Köpfe der Besucher hinweg.
Bei genügend Wind fliegen sie über den Hochhaus-Glaspalast des Hotels Marriott und stechen anschliessend aufs offene Meer hinaus. Der Wind ist so konstant, dass immer Top gelandet werden kann. Trotz grauem Him- mel läuft das Sonntagsgeschäft hervorragend. Ein Tandemflug von 10-15 Minuten kostet 150 Soles (ca. SFR 55.-) Diesen Luxus können sich nur Besserverdienende leisten. Für andere ist dies mehr, als sie im Monat verdienen.
Das historische Zentrum mit dem Plaza Mayor ist Ausgangspunkt für einen Altstadtrundgang. Umfangreiche Restaurierungsarbeiten lassen die alten Kolonialbauten in neuem Glanz erscheinen. Viele prunkvolle Miradores schmücken die alten Paläste. Die schönen Erker aus mächtigen Holzkonstruktionen, meist über zwei Stockwerke angeordnet, sind mit holzvergitterten Fenstern ausgestattet. Reiche Schnitzarbeiten an den Vorbauten erhöhte das Prestige der Besitzer.
Die Innenstadt ist sehr gepflegt und sauber. Eine grössere Fussgängerzone ist weihnachtlich fein ge- schmückt. La Catedral de Lima, der Palacio de Arzobispo und der Palacio de Gobierno sind Hauptan- ziehungspunkte. Die Iglesia y Convento San Franc- isco hat es zum UNESCO Kulturerbe geschafft. Be- rühmt ist das Kloster für seine Katakomben und zahl- reichen historischen Dokumenten. Wir besuchen die unterirdischen Gänge, die 1951 wieder entdeckt und für Tausende eine Begräbnisstädte waren. In den über 300 Jahre alten Katakomben wurden bis 1808 über 70'000 Tote bestattet. Inzwischen hat man 25'000 Skelette gefunden. Der schöne Innenhof mit Kreuzgang holt uns aus der Vergangenheit in der Unterwelt zurück in die Gegenwart.
Der Circuito Mágico del Agua gehört zu den grössten Springbrun- nenparks weltweit. Nach 19 Uhr füllte sich der grosse Park mit Besuchern. Gleich mehrere Schulklassen versammelten sich bei den grössten, bunt angestrahlten Wasserfontänen und kreischten, als die Lasershow den dunklen Nachthimmel erleuchtete. Ein Spektakel im Rhythmus von Musikklassikern. Hier geniessen Gross und Klein ein paar unbeschwerte Stunden. Das kostbare Nass, verwandelt in hoch aufsteigende, schwungvolle Fontänen begleitet von Musik, lässt den Alltag glatt vergessen. Die schöne Wasserparkanlage ist auch zur späten Stunde sicher, gut bewacht von Ordnungshütern.
Als wir die Parkanlage verlassen, durchqueren wir einen spe- ziellen Markt. Grabkränze, Grabkissen und Blumenkreuze in grosser Zahl und Grösse warten auf Kunden. Sie erinnern uns einmal mehr, dass unser Dasein befristet ist. Wir nehmen ein Taxi. Es bringt uns sicher in den Stadtteil Miraflores. In der Hitchhikers Backpackers Unterkunft fordern wir uns gegen- seitig am „Töggelikasten“ heraus. Der Fussballkasten erwacht zu neuem Leben mit unserer Spielweise. Es wird hart ge- kämpft, nichts geschenkt. Ein junger Angestellter holt seine Fotokamera und speichert uns ab beim Spielen. „Gruftis“ beim Fussball spielen zur späten Stunde. Braucht das Hostal Bilder für einen neuen Webeprospekt?
Unterwegs von Lima nach Nazca
Die Strecke entlang dem Pazifik in den Süden führt uns durch Wüstengebiete, wo endlose Baumwoll- felder blühen. Ausserhalb der riesigen Plantagen sehen wir in der trockenen Wüstenebene die ein- fachen Mattenhäuser für die Plantagenarbeiter. Viele stehen zurzeit leer, es gibt nichts zu ernten. In der Stadt Pisco nehmen wir Kurs auf die Halbinsel Paracas. Der Name Pisco steht für den Trauben- schnaps Pisco, Bestandteil des peruanischen Nationalgetränks „Pisco Sour“. Unser Interesse gilt weniger dem Getränk, als dem Naturschutzgebiet Reserva National Paracas. Nach dem Parkeingang (5 Soles pro Person, ca. SFR 1.90) nehmen wir die Pistenstrasse durch eine schöne, unberührte Wüstenlandschaft zum Playa La Mina. Zwei Ein- heimische Fischer und der Parkwächter leisten uns Gesellschaft. Die Abendsonne beleuchtet den Strand und die Klippenfelsen. Ein Traum-Übernachtungsplatz!
(S 13.89221 W 076.30673) Der Parkwächter verabschiedet sich von uns und die Fischer fahren zurück in ihr Dorf. Die Meeres- brandung wiegt uns in den Schlaf.
Die Bootstour am nächsten Tag beginnt um 8 Uhr und startet im Hafen von Paracas. Das Boot ist gut besetzt. Wir fahren an Puerto San Martin vorbei und erblicken später an einem grossen Schräg- hang „El Candelabro“. In den Wüstensand eingekratzt ist ein 180 x 70 m grosses Scharrbild. Es zeigt die Form eines Kerzenhalters. Niemand kennt das Alter, den Ursprung und die Bedeutung der Kandelaber-Geoglyphe. Vermutungen gibt es viele. Einfach rätsel- haft. Obwohl der Sandhügel ständig den starken Pazifikwinden ausgesetzt ist, lässt sich die eingekerbte Geoglyphe nicht zuwehen noch verwischen. Das Boot gleitet zwischen den beiden Inseln Ballastras hindurch. Eine wild zerklüftete Inselgruppe mit Klippen ist bevölkert von Zehntausenden von Seevögeln. Pelikane, Guanay, Blaufusstölpel, Guanotölpel und Biguascharben nisten an den steilen Klippen. Humboldt-Pinguine und Seelöwen fühlen sich im eiskalten Humboldt-Strom zuhause. An den steilen Klippen wird um jeden freien Platz gekämpft. Im Gegensatz zu den Galapágos-Inseln sind hier die Felseninseln total überbevölkert. Aufgrund der starken Sonneneinstrahlung und durch die Bucht geschützte Lage haben sich hier sehr viele Plankton- und Algenarten gebildet. Sie sind Nahrung für eine Vielzahl von Fischen, welche wiederum gefundenes Fressen für viele Vogel- und Säugetierarten sind.
Die fantastische Tierwelt lässt sich nur vom Boot aus bestaunen, das Betreten der Inseln ist verboten. Der Nationalpark dient aber auch dem Erhalt des kulturellen Erbes der Region, insbesondere wichtiger prähistorischer Stätten der Paracas-Kultur.
Der Guano, ein kostbarer, natürlicher Dünger, wird immer noch ein- gesammelt. Eine Kostprobe des Geruchs erhalten wir an einigen Uferstellen. Sicher nur ein Job für geruchsunempfindliche Nasen. Guano ist ein feinkörniges Gemisch aus verschiedenen Phosphaten und entsteht aus den Exkrementen von Seevögeln durch Einwirkung auf Kalkstein. Guano dient als stickstoff- und phosphorsäurehaltiges Düngemittel.
Die Huacachina-Oase – einst ein exklusiver Badeort
Sechs Kilometer von der Stadt Ica entfernt liegt inmitten hoher Sanddünen das kleine Wüstendorf Huacachina. Die Dattelpalmen und Johannisbrotbäume schmücken die Uferränder der Lagune. Einst ein heiliger Ort aus der Inkazeit, kämpft heute die Lagune ums Überleben. Über Pipelines wird der Wassernachschub gesichert, damit der Wasserspiegel einigermassen konstant bleibt. Obwohl die Lagune zwischen 1920–1950 ein exklusiver Badeort war, Umkleide- kabinen in grosser Zahl zeugen davon, ist es heute nicht mehr ratsam, ein kühles Bad zu nehmen. Die Wasserqualität lässt zu wünschen übrig. Doch der kleine Ort inmitten riesigen Sanddünen ist Anziehungspunkt vieler Backpackers. Hier kann man so richtig „Sandboarding“ ausleben, von den hohen, steilen Dünen. Zwar fehlen die Lifte, doch für den Transport auf die höchsten Dünen stehen Buggys zur Verfügung. Wir steigen am späten Nachmittag in die erste Sitzreihe eines 9-plätzigen Buggys. Alle Backpackers, ein paar Jahrzehnte jünger als wir, buchten die 2-stündige Wüstentour, um die steilen Dünen mit dem Brett zu bezwingen.
Die sehr grosse Wüstenlandschaft begeistert uns. Das Sandboarden ist für uns kein Thema. Wir bleiben beim Ski- und Snowboardfahren auf den traumhaften Skipisten in der Schweiz. Der Adrenalinspiegel steigt bei Allen, wenn der Buggy-Driver die sehr steilen, langen, fast senkrechten Sanddünen hinunterfährt. Wir sind angegurtet und das Fahrzeug ist mit Überrollbügeln ausgestattet. Unser Fahrer hat es im Griff. Er kennt die schönsten Aussichtspunkte und die längsten Abfahrtspisten für die Sandboarder. Die flachstehende Sonne bringt die windverwehten Sandstrukturen schön zur Geltung. Ein Licht und Schattenspiel von erhabener Schönheit. Zum Abschluss fahren wir auf einen schönen Aussichtspunkt, der uns den Blick von oben auf die Oase im Abendlicht freigibt. Ein kleines Oasenparadies aus der Ferne betrachtet. Über Nacht werden die breiten Pneuspuren vom Wind beseitigt und die weissen Sanddünen werden ihr Gesicht wieder ein bisschen verändern.
Heute leben die Oasenbewohner nicht mehr vom Badetourismus. Die Buggy-Wüstenfahrten und das Sandboarden sind eine neue Alternative. Wenn die Einheimischen die Müllablagerung rund um die Oase in den Griff bekommen und die Wasserqualität verbessern, hat die kleine Oase sicher eine Zukunft. Im schlimmsten Fall wird später nur noch ein Bildnis auf der Rückseite des 50-Soles-Geld- scheines an das kleine Wüstenparadies erinnern. In den frühen Morgenstunden steigen wir auf eine hohe Sanddüne und beobach- ten, wie die ersten Sonnenstrahlen das kleine Dorf erhellen.
Geheimnisvolle Nazca-Linien
Das Wort Nazca assoziiert bei uns geometrische Figuren und Linien. In der weiten Pampa der Wüste scharrten einst Bewohner Linien und Bilder in den Boden. Wie sie gemacht wurden und zu welchem Zweck sie dienten, bleibt immer noch ein Geheimnis. Auch für Wissenschaftler aus der ganzen Welt, die sehr viel Zeit den Geoglyphen widmeten, bleiben die Figuren in Nazca ein Mysterium. Maria Reiche hat mehr als 50 Jahre ihres Lebens den Studien, Messungen und der Erhaltung der Nazca-Linien gewidmet. Nach ihrer Ansicht sind die Figuren und Linen ein grosser astronomischer Kalender. Wir besuchen das kleine Maria Reiche Museum, 26 km nördlich von Nazca. Was das Museum heute bietet, ist der 1998 verstorbenen Forscherin nicht würdig. Der heutige Museumszustand hätte dringend ein Facelifting nötig, wie so vieles in Peru. Die Präsentation ihrer Jahrzehnten langer Arbeit hätte etwas Besseres verdient. Für uns eine grosse Enttäuschung.
Vom 11 m hohen Aussichtsturm an der Panamericana, bei Kilometer 420, erblicken wir die ersten Bruchstücke der Geoglyphen. Auch hier erinnert uns der Miniturm an ein Provisorium. Proben vom Typ Carbon 14 zeigten einen ungefähren Zeitrahmen der Errichtung zwischen 300 v.Chr. und 800 n.Chr. Dies erklärt, dass die Scharr- bilder nicht von den Inkas, sondern von einer örtlichen Prä-Inka-Kultur geschaffen worden waren. Auf Grund ihrer aussergewöhn- lichen Dimensionen, von einigen Metern bis hin zu 30 km, und der Präzision mit der sie graviert wurden, sind sie weltweit einzigartig. Die Figuren sind nur aus der Luft zu erkennen. Am Vorabend reser- vieren wir auf dem Flugplatz einen Flug für den nächsten Tag um 8 Uhr. Es hat wenig Touristen und für 80 USD einen 30-Minuten Flug über die 12 bekannten Figuren scheint uns angemessen. (inkl. abholen und zurückbringen vom La Maison Suisse-Camping) Die Wetteraussichten für den nächsten Tag sind gut.
Pünktlich werden wir abgeholt und kurze Zeit später steigen wir mit zwei anderen Touristen in das kleine Flugzeug. Der Pilot und ein Guide schauen, dass wir gewichtsmässig gut verteilt sind. Auf einem Blatt der Aero Palcazu ist die Flugroute mit den Figuren und ihren Namen eingezeichnet, so dass wir einen Überblick erhalten. Der Pilot umfliegt jede Figur einmal mit dem Flügel nach rechts, einmal nach links geneigt, so dass wir alle die einzelne Zeichnung gut sehen und fotografieren können. Die Fotos durch das Flug- zeugfenster sind nicht berauschend, aber für uns eine unver- gessliche Erinnerung. Der Guide gibt bei jeder Figur einen Kom- mentar ab, doch ein Teil seiner Erklärungen gehen im Motorenlärm unter. Was uns besonders beeindruckt, sind die Dimensionen der Figuren. Der Kolibri ist 96 m lang und hat eine Flügelspannweite von 66 m. Die alten Peruaner und die Nazcas betrachten den Kolibri als Boten zwischen den Menschen und Kondoren (Göttern). Die Spinne misst 45 m und symbolisiert in Peru Regen (Fruchtbarkeit). Der Kondor unten rechts misst 136 m. Verschiedene Kulturen glauben, dass dieser Vogel einen mythologischen Charakter besitzt und verehren ihn als Gottheit. Die Figur des Affen misst 110 m und erweckt durch ihre Präsenz in der Wüste Aufmerksamkeit, da der Affe aus dem Dschungel stammt. Der Flamingo oder Pelikan ist mit dem Zickzack-Hals 280 m lang.
Der Papagei oder die Libelle hat ein Ausmass von 200 m Länge und verbindet Fruchtbarkeit, könnte jedoch auch auf einen Schamanen- ritus zurückgehen. Der Baum, bzw. die Meerespflanze mit 97 m und die Hand mit 45 m, eine mit vier, eine mit fünf Fingern, sind weitere Figuren in der riesigen Wüstenlandschaft. Die sehr langen, schnur- geraden Linien sind ebenso ein Rätsel, wie die zahlreichen Figuren. Um sehr feine Linien zu ziehen, entfernte man die oberste Stein- schicht. Für die gröberen, auch tieferen Linien zog man bis zu 30 cm tiefe Furchen. Die grossen Oberflächen in Form von Trapezen, Dreiecken, usw. zeigen, dass der gesamte obere Belag entfernt wurde. Die so gewonnenen Steine wurden zu entfernt gelegenen Orten transportiert, einige davon wurden auch genutzt, um die Ränder der Linien und Figuren zu markieren. Einige Figuren sind sehr gut zu erkennen, zeigen sich im Sonnenlicht klar und deutlich, andere sind nur bei sehr genauem Hinsehen auszumachen. Über die Bedeutung der zahlreichen Kilometer langen Linien die sich kreuzen, existieren mehrere Theorien. Doch bis heute konnte keine davon bewiesen, noch wissenschaftlich erklärt werden. Und so bleiben die Nazca-Linien weiterhin ein Geheimnis.
Friedhof – Nazca de Chauchilla
Südlich von Nazca, bei km 464, nehmen wir die Wüstenpiste zu einem Gräberfeld, dass uns einmal mehr an unser zeit- liches Dasein erinnert. 12 freigelegte und überdachte Grab- kammern sind zugänglich. Die Mumien sitzen mit wenigen Grabbeigaben in den offenen Gräbern. Sie stammen aus der Präinkazeit. Die Körper wurden, ohne die Köpfe, mumi- fiziert. Man vermutet, dass hier wichtige Persönlichkeiten mit ihren Bediensteten bestattet wurden. Ein kurzer, aber interessanter Rundgang wurde hier in der Wüste angelegt.
Von Nazca nach Cusco – 639 km und 5 Pässe
Kurz vor dem Abra Condorcenca 4390 m übernachten wir bei der Forschungsstation im Reserva Nacional Pampa Galeras. Die von Deutschland 1965 gegründete Station hatte den Zweck, die Tiere vor dem Aussterben zu retten. In der Zwischenzeit leben im Nationalpark wieder mehrere Tausend Vikuñas. Für die Inkas einst ein heiliges Tier, stehen sie auch heute noch unter Schutz. Das Vikuña ist das zierlichste unter den vier Kleinkamelen der Anden. Es kann bis auf Höhen von 5000 m überleben mit seinem seidenfeinen Wollkleid. Die einjährige Schur bringt etwa 500 g Wolle. Sie gehört zu den teuersten Naturfasern und kostet etwa 500 Euro pro Kilo. Am frühen Morgen weiden viele Tiere der Strasse entlang. Sie sind sehr scheu. Wir können eine grössere Gruppe, getarnt hinter einem Hügel, aus der Nähe beobachten. Ihre Aufmerksamkeit ist eindrucksvoll. Sie behalten die Umgebung gut im Auge, auch beim Fressen, und entfernen sich schnell, sobald sie uns bemerken.
Die Strasse Nazca – Cosco ist durchgehend asphaltiert und in einem guten Zustand. Pausenlos geht es bergauf oder bergab. Die Strecke zeigt eine grossartige Bergwelt. Nebel, Schneetreiben, blauer Him- mel und Sonnenschein wechseln innerhalb eines Tages mehrmals ab. Beim höchsten Pass, dem Abra Condorcena, scheint am Morgen die Sonne. Ein paar Stunden später, beim Abra Huashuccasa auf 4300 m Höhe, haben wir tiefen Winter. Es schneit und die Fahrbahn ist glitschig und matschig. Zwischendurch geht es runter auf 1800 m, dann wieder auf über 4000 m.
Weihnachten verbringen wir in Cusco. Auf dem Cam- pingplatz Quinta Lala feiern und geniessen wir die Festtage. Zwei Reisemobile aus Deutschland, nach Norden unterwegs, richten sich neben uns ein. Mit Marjorie und Joerg, Angelika und Michael feiern wir die Festtage. Ein feines Nachtessen in der Stadt, interessante und humorvolle Gespräche begleiten den gemeinsamen Abend. Dass der Kellner bei der Abrechnung, drei Ehepaare wünschen drei Rech- nungen, den Überblick verliert, und selbst mit dem grossen Taschenrechner nicht mehr klar kommt, versteht sich. Tags darauf wiederholen wir den Ausgang, besuchten aber ein anderes Restaurant. Diesmal brachte der Kellner drei verschiedene Abrechnungen, die alle einwandfrei in Ordnung waren. Ein gutes Trinkgeld hatte er verdient. Geht doch!
Am 31. Dezember 2012 besuchen wir die verlorene Stadt Machu Picchu. Morgens um 6.10 Uhr bringt uns der Zug von Ollantaytambo in ca. 1 ½ Stunden nach Aguas Calientes. Mit dem Bus geht es dann 8 km ins geheimnisvolle Siedlungszentrum der Inkas. Ein mystischer Ort, der uns anregt, darüber nachzudenken, aus welchem Grund die Inkas einen so unzugänglichen Ort auswählten, um dieses monumentale Meisterwerk zu erbauen. Wenn wir wieder den Ausgang aus dem Labyrinth der Inkastadt finden, berichten wir im Januar 2013 über unseren Besuch.
Rückblick 2012
Unser Reisejahr 2012 navigierte uns durch acht Mittel- und Südamerikanische Länder. Noch dürfen wir einen Monat in Peru bleiben, dann heisst es Abschied nehmen Richtung Bolivien. Neben den vielen, eindrucksvollen Sehenswürdig- keiten und Naturschönheiten, war es im Besonderen die einfache, oft arme Bevölkerung der Indigenas, die unsere Herzen ins Schwingen brachte. Der Einblick in die verschie- denen Kulturen, in die Lebens- und Arbeitsweise der Men- schen, hat uns tief bereichert. Zwischen Guatemala und Peru haben wir Tausende von Kilometer zurückgelegt. In jedem Land sind wir vielen freundlichen und hilfsbereiten Menschen begegnet, abgesehen von ein paar wenigen Ausnahmen. Ja, das Reisen ist spannend, herausfordernd und macht uns viel Spass. Hoffen wir, dass dies auch im 2013 so bleibt. Wir wünschen allen unseren Verwandten, Bekannten, Freunde und treuen Homepage-Lesern einen guten Rutsch ins 2013.