Reisebericht Brasilien
01. - 30.09.2013 Foz do Iguaçu - Bonito - Miranda - Corumbá - Campo Grande - Cuiabá -
Porto Jofre - Caceres - San Matias - Cuiabá - Campo Grande - Corumbá (Brasilien)
Unterwegs von Foz do Iguaçu nach Corumbá
Mit Johanna und Hermanus verabschieden wir uns vom Camping Paudimar ausserhalb Foz do Iguaçu. In zwei Tagen wollen wir uns wieder treffen im kleinen Städtchen Jardim. Die Strecke über 900 km hat wenig zu bieten. Über Hunderte von Kilometern sehen wir abgemähte Maisfelder, Rinderherden, Landwirtschaft soweit das Auge reicht. Ab und zu gibt es ein paar kleine Waldgebiete, die noch nicht der intensiven Bodenbewirtschaftung weichen mussten. So verkürzen wir die lange Fahrt mit einem spannenden Hörbuch. „Hinterhältig“ vom Schriftsteller Roderick Anscombe liess uns die eintönige Landschaft glatt vergessen. Im kleinen Dorf Juti standen auf dem Parkplatz bereits ein Dutzend grosse Lastwagen. Wir fragten den Besitzer vom Busch-Restaurant, ob wir hier für eine Nacht bleiben können. Er war einverstanden und wir waren froh, dass wir im Dunkeln nicht mehr weiterfahren mussten.
Um 18 Uhr wird es hier schnell dunkel. Wir machten uns an die Vorbereitungen zum Nachtessen, denn das Buschlokal für die Lastwagen-Chauffeure entsprach nicht unserem Gusto. Wir hatten keine Lust auf eine Magenverstimmung, denn die Sauberkeit von solchen Imbissbuden lässt da und dort zu wünschen übrig. Als dann die letzten Chauffeure sich zur Ruhe legten, wurde es ruhig. Ein letztes Kapitel vom Hörbuch „Hinterhältig“ liess uns fragend Einschlafen, wie geht die spannende Geschichte weiter.
Am nächsten Tag nehmen wir Kurs auf das ruhige Städtchen Jardim. Der Camping Balneário Municipal, an der BR 267 ca. 30 km Richtung Porto Murtinho, ist ein Volltreffer. Gleich am Eingang entdecken wir eine Gruppe Kapuzineraffen. Sie sind mit dem Nachtessen be- schäftigt. Sie wechseln laufend die Bäume, um auf den äussersten Ästen die Blüten und Knospen zu verspeisen. Nur unweit entfernt rauscht eine grössere Gruppe Halsbandpekari durchs Unterholz. Die niedlichen Goldagutis mit ihrem dunkelrot bis orangefarbenen Pelz suchen den Boden nach Nüssen ab. Johanna und Hermanus sind bereits fertig eingerichtet. Mit einem kühlen Bier lauschen wir zusammen dem Dschungel-Abend-Konzert der vielen Vogel- stimmen. Wenn sich die Sonne dem Horizont neigt, der Tag zur Nacht übergeht, sind viele Vögel besonders aktiv. Jardim lebt auch vom Tourismus. „Buraco das Araras“ heisst die Attraktion.
Mit einem Guide gehen wir auf eine 1¼ stündige Rundtour um das Loch (Buraco). Hier leben und brüten ca. 50 hellrote Aras-Paare, die von den Aufsichtspersonen im Park geschützt werden. Das „Loch“ ist eine ca. 125 m tiefe Grube mit einem kleinen grünschimmernden See. Der Umfang der Vertiefung beträgt ca. 500 m. An den senk- rechten, braunroten Felswänden gibt es zahlreiche Nischen, Höhlen und Felsvorsprünge, wo die farbenprächtigen Papageien ihre Brut aufziehen. Zwei Aussichtsplattformen geben einen Blick frei in die fantastische Freiluftarena der bunten Vögel. Von Zeit zu Zeit drehen sie zu zweit oder in grösseren Gruppen ihre Runden mit lautstarkem Gekreische über dem tiefen Abgrund. Dann verschwinden sie wieder in den Bäumen an der Abbruchkante oder in ihren Nistplätzen in der Felswand. Mehrere Aras ruhen sich auf einem Felsvorsprung aus und verpassen sich gegenseitig Streicheleinheiten.
An diesem Morgen sind nur wenige Besucher im Park. Unser Guide zeigt uns wichtige Bäume und Pflanzen, erklärt ihren Nutzen, nennt die Namen. Zum Glück wird hier diese schöne Vogelwelt geschützt, sonst würden die farbenprächtigen Papageien illegal über den Tierhandel in alle Welt zu sehr hohen Preisen verkauft. Ja, die Natur muss hier vor dem Raubbau und dem Kommerz immer mehr geschützt werden, sonst werden wir einst diese Vogelwelt nur noch aus Büchern kennen lernen. Wir sind fasziniert von der Papageienwelt in der freien Natur. Die Nistplätze an den senkrechten Felswänden bieten einen sicheren Schutz vor Feinden. Ihr feuerrotes, gelbes und marinblaues Federkleid leuchtet in satten Farben. Mit 80 – 90 cm Länge hat der bildschöne Vogel eine ergreifende Ausstrahlung. Auf seinem Speiseplan stehen Früchte, Samen, Blüten, Blätter und Rinde. Mit seinem Schnabel öffnet er auch härteste Nüsse. Das „Buraco das Araras“ in Jardin ist nur ein kleines Schutzgebiet, aber ein Wichtiges, das die Überlebenschancen dieser prächtigen Vögel verbessern hilft.
Gegen Mittag fahren wir auf der MS 178 ins 70 Kilometer entfernte Bonito. Die Teerstrasse, zum Teil auch Erdpisten, sind in gutem Zustand. In der Umgebung von Bonito laden kristallklare Flüsse und kleine Seen zum Schnorcheln ein. Auf dem Camping Balneãrio do Gordo stellen wir unsere Fahrzeuge mitten in einem belebten Waldstück ab. Kapuzineraffen, Goldaguti, Rotfussseriema, Tukane und andere Vögel und Tiere begegnen uns auf einem Streifzug durch die Wildnis. Zurzeit stehen die goldgelben Ipê-Amarelo Bäume (Trompetenbaum) in voller Blüte. Die Bäume ohne Blätter leuchten von weitem und sind eine Augenweide vor dem blauen Himmel. In der Trockenzeit können sie bis zu dreimal in kahlem Zustand blühen. In nur vier Tagen Blütezeit zeigen sie ihr überwältigendes gelbes Blütenmeer. Ihr hartes, fast unverrottbares und wertvolles Holz wird zu den Eisenhölzern gezählt und ist als hochwertiges Möbelholz bekannt. Wir fahren Nordwärts über Bodoquena nach Miranda. Der grössere Ort bietet Einkaufsmöglichkeiten für die nächsten Tage. Auf dem Camping Ranch Mandovi ausserhalb Miranda übernachten wir.
Feel, see, smell,
touch, taste, hear
and enjoy the Pantanal
Dieser Werbespot für den Pantanal steht auf meinem T-Shirt. Marcelo, ein echter Brasilianer mit sehr langen, schwarzen Haaren, Besitzer vom Campingplatz Ranch Mandovi, schenkte es mir bei der Verabschiedung. Er deutet auf das Schweizerwappen am T-Shirt Ärmel und sagte voller Stolz: „Ich bin auch Schweizer.“ Er dankte uns für den Besuch. Seine brasilianische Herzlichkeit war spürbar.
Die Estrada Parque do Pantanal führt uns durch das südliche Gebiet der riesigen Schwemmlandebene. Über eine Dammpiste von 117 km Länge überqueren wir 70 Holzbrücken Richtung Corumbá. Wir fahren durch eine grosse Sumpflandschaft, die nur in der Trockenzeit ver- nünftig passierbar ist. Zahlreiche tiefe, trockene Schlammspuren auf der Piste verweisen auf den Zustand der Strecke, wenn es lange geregnet hat. Der Pantanal ist kein reines Sumpfland. Flüsse, grosse und kleine Seen, ausgetrocknete Wasserläufe, Grassavannen und Tropenwälder wechseln ab. Die Portugiesen nannten das Land „Mato Grosso“, was grosser Wald bedeutet. Der Pantanal im Dreiländereck von Brasilien, Bolivien und Paraguay ist das grösste zusammenhängende Feuchtgebiet der Erde. Die Flächenangaben variieren je nach dem Wasserstand. Die Wasserwildnis dürfte etwa 230'000 km² gross sein, was dem
Fünffachen der Schweiz entspricht.
Die Abzweigung zur Dammpiste von der Route BR 262 erfolgt kurz nach dem kleinen Ort Morro do Azeite. Von dort sind es dann 22 km bis zur Pousada und dem Camping Santa Clara. Verschiedene Tafeln erinnern, dass freies Campieren auf dieser Strecke verboten ist. Diese Piste führt durch ein interessantes Vogel- und Tierparadies. Bei langsamer Fahrt, heisst bei uns etwa 15-20 km in der Stunde, könnten wir alle paar Minuten ein Fotoshooting machen. Der Camping Santa Clara und seine Herberge (Pousada) hat einige Gäste. Drei Iglu Zelte sind etwas erhöht vom Rio Abobral aufgestellt. Die prächtigen Kaimane am Ufer und im Wasser lassen sich von den klickenden Kameras nicht stören. Auf dem grossen Areal steht für uns nicht das Schwimmbad, das Restaurant oder der Volleyballplatz an erster Stelle.
Schon beim Eingang begrüssen uns zahlreiche Hyazintharas in den Bäumen. Der grösste Papagei der Welt mit seinem kobalt- blauen Federkleid bringt es auf stattliche 90-100 cm Länge. Mit seinem krächzenden „Kraaa, Kraaa“ entdeckt man ihn leicht in den Bäumen. Die Rotbugamazonen (grüne Papageien) fliegen in grösseren Gruppen kreuz und quer über das Gelände. Grosse und kleine Halsbandpekaris (Nabelschweine) wühlen in der Erde beim Restaurant. Der Siriri (Tropical Kingbird) sucht seine Insekten direkt vor dem Maul der grasenden Pferde. Der Schopfkarakara mit seinen langen gelben Beinen lässt sich blicken, wie bei uns zu Hause die Spatzen. Die grossen Kaimane bleiben im Fluss, sonst wäre es mit dem ruhigen Campen schnell vorbei.
Ein Stromausfall überrascht die Restaurantküche beim Kochen. Das Campareal liegt im Dunk- eln. Die Köchin hat eine Kerze aufgestellt und bereitet das Nacht- essen für ihre Gäste im Dämmerlicht zu. Das Fleisch für das Nacht- essen liegt seit geraumer Zeit auf dem Holzgrill. Dusche und WC funktionieren auch mit eigener Taschenlampe. Mit Johanna und Hermanus sitzen wir draussen in der dunklen Nacht und bestaunen den leuchtenden Sternenhimmel samt eindrücklicher Milchstrasse. Die lästigen Moskitos halten wir uns mit einem Sprutz Antibrumm fern. Gegen 22 Uhr wird es merklich kühler, 25-30 Grad, so dass wir nach einer lauwarmen Dusche angenehm schlafen können.
Am Morgen gegen 5.30 Uhr, kurz vor Sonnenaufgang, künden ver- schiedene Vogelstimmen den neuen Tag an. Nach dem Frühstück nehmen wir die 100 km Erdpiste bis nach Corumbá unter die Räder. Die noch flachstehende Sonne verzaubert die Fluss- und Seen- landschaft. Einzelne kleinere Rinderherden grasen entlang der Strasse. Die Capivaras (Wasserschweine) sonnen sich mitten auf der Piste. Eine Gruppe von Rabengeier hacken auf einem Kaiman-Kadaver herum, als wäre es ihre letzte Mahlzeit. Die Vogelwelt wird immer zahlreicher. Wir bemühen uns die entdeckten Vögel zu be- nennen. Eine schwierige Aufgabe, wenn man nicht umfangreiche Fachbücher dabei hat. Nandus, Kormorane, Eulen, Rotstirn-Blatt- hühnchen, Reiher, Schlangenhalsvogel und der Savannen-Habicht sehen wir neben vielen unbekann- ten Vögeln entlang der Strecke. Der Jaribu, der grösste Storch des Pantanals, entdeckten wir in einem Wassertümpel.
In Porto da Manga überquerten wir den breiten Rio Paraguai auf einer Fähre. Die grosse Flusslandschaft ist voll von frei schwimmenden Wasserhyazinthen. Kleine und grosse Pflanzeninseln lassen sich auf dem langsam fliessenden Fluss dahintreiben. Die Grösse solcher Flusslandschaften ist für uns immernoch atemberaubend. Auf die feuchtheissen Tempera- turen würden wir gerne verzichten, 38-40 Grad, doch die gehören hier dazu. Solche Strecken brauchen Zeit, will man diese grossartige Natur bestaunen.
Nach rund 8 Stunden treffen wir Johanna und Hermanus auf dem Flughafenparkplatz in Corumbá, wo wir unser Über- nachtungsplatz einrichten. Das Flughafengebäude wird in der bekannten Schmugglerstadt bewacht. Nur ein paar Kilo- meter entfernt liegt die bolivianische Grenze. Bei Sonnen- untergang kreischen grosse Papageien-Schwärme in den Palmen und Bäumen. Zwei überdimensionierte Papageien aus Beton deuten darauf hin, dass sie hier zuhause sind. Nach einer ruhigen Nacht verabschieden wir uns von Johanna und Hermanus, die in den Morgenstunden die Grenze nach Bolivien passieren wollen. Für sie geht die grosse Reise weiter nach Norden. Herzlichen Dank für die schönen, abwechslungsreichen Reisetage, für die interessanten Gespräche und Reiseinfos. Wir bleiben in Kontakt!
Auf der Suche nach Capitão Lopez
Corumbá, schön gelegen am breiten Rio Paraguai, hat ca. 100'000 Einwohner. Eine wichtige Grenzstadt mit Binnenhafen und Schiffs- verkehr. Der Name bedeutet in der Tupi-Guarani Sprache „entfern- ter Ort“, was wir als Reisende nur bestätigen können. Die Stadt ist auch Ausgangspunkt für Reisen auf dem Wasserweg ins Pantanal. An der Uferpromenade suchen wir den Capitão Lopez. Die Bra- silianer sind sehr hilfsbereit. Nach einigem Herumfragen landen wir einen Volltreffer. Der Kapitän sitzt im Hafen, zusammen mit vier Männern an einem Tisch unter einem Schattendach. Ich zeige ihm in unserem dicken Reiseführer wo sein Name steht. Er freut sich über unseren Besuch und zeigt mit Stolz seinen Kollegen den Eintrag im Reiseführer.
Capitãno Lopez ist kein Unbekannter, besonders wenn er in einem Deutschen Reiseführer steht. Mit seinem Schiff, das seitlich mit einem Ponton ausgerüstet ist, nimmt er auch Touristen samt Reisemobil (Pkw/Pickup) mit. Heute ist Montag. Am Mittwochabend um 20 Uhr will er mit seinem Schiff den Rio Paraguay und den Rio Cuiabá hochfahren nach Porto Jofre. Der Ort liegt fast mitten im Herzen des Parque Nacional do Pantanal Matogrossense.
Vier Tage Abenteuer auf dem Fluss. Er macht uns ein Angebot für das Auto, zwei Personen mit Essen für 500 USD. Per Handschlag vereinbaren wir, dass wir am Mittwoch um 17 Uhr das Fahrzeug verladen und um 20 Uhr will Capitão Lopez mit seinem Sohn Willian auslaufen. Unser Traum, eine viertägige Dschungel- tour auf dem Fluss liegt in Reichweite. Wir richten uns neben dem Kongressgebäude unter schattigen Bäumen ein. Die Stadt Corumbá hat keinen Camping. Da es tagsüber 36-38 Grad warm ist, sind wir froh, nur drei Tage an der Uferpromenade auszuharren. Wir verbringen den Montag und Dienstag mit Büroarbeiten und lesen. In der Umgebung von Corumbá gibt es ausser Bootstouren ins Pantanal nicht viel zu entdecken.
Reiseprogramm Änderung am Dienstagabend
Wir arbeiten beide an den Laptops, als Willian bei uns vorbeischaut. Sein Vater könne erst am Samstag- abend mit dem Schiff nach Porto Jofre auslaufen, teilte er uns freundlich mit. Wir überlegen. Nochmals vier Tage hier bei diesen Temperaturen ausharren, macht keinen Sinn. Ob er dann auch am Samstag- abend wirklich losfährt, lässt sich nicht mit Be- stimmtheit sagen. Auf die Frage, wann er von Porto Jofre nach Corumbá zurück fährt, rechnet er die Tage durch. Willian ruft seinen Vater an, der ein paar Minuten später auch bei uns eintrifft. Nach seinen Äusserungen will er am Montag, 23. September abends um 20 Uhr von Porto Jofre zurückfahren. Je nachdem wieviele Rinder er auf seinem Ponton mitführt, haben wir dann auch noch Platz. Wir sind zuversichtlich und per Handschlag vereinbaren wir den neuen Termin. So machen wir uns am Mittwochmorgen auf den Weg. Die neue Reiseroute heisst: Corumbá – Campo Grande – Rondonópolis – Cuiabá – Poconé – Porto Jofre. In Brasilien ist dies ein kleiner Katzensprung von ca. 1400 km. Wir geben nicht so schnell auf, die viertägige Abenteuertour mit Rindern auf dem Schiff könnte recht interessant werden. Die Chancen stehen 50 zu 50. Wir lassen uns überraschen.
Porto Jofre – im Herzen des Pantanals
Nach sieben Tagen erreichen wir den feucht heissen Ort Porto Jofre. Ein Hotel, ein Campingplatz, ein Landeplatz für Kleinflugzeuge und ein paar Häuser für die Einheimischen prägen das Ortsbild am Rio Cuiabá. Der Campingplatz direkt am Fluss hat eine gute Infrastruktur (Strom, Wasser, Dusche, Restaurant) und gehört zu unseren Favoriten. Einheimische Fischer haben gleich eine grosse Tiefkühltruhe aufgestellt, um ihren täglichen Fischfang aufs Eis zu legen. Das fantastische Flusspanorama mit dem Urwald auf der gegenüberliegenden Flussseite erscheint uns wie gemalt. Träge fliesst der breite Rio Cuiabá. Ab und zu schwimmt eine Insel aus Wasserpflanzen im Zeitlupentempo an uns vorbei. Rund um uns sehen wir Vögel und hören ihr Gekreische in den Bäumen. Kaum haben wir fertig aufgestellt, begrüssen uns drei schöne Hyazinth-Aras auf der Palme vor uns.
Ausgangspunkt für uns war Cuiabá, die Hauptstadt des brasilianischen Bundesstaates Mato Grosso. Sie liegt im Norden des riesigen Sumpflandes Pantanal. Über eine asphaltierte Strasse erreichen wir die Ortschaft Poconé. Es ist der letzte Ort, wo man Einkaufen und Auftanken kann. Ein paar Kilometer weiter beginnt die Transpantaneira nach Porto Jofre. Eine auf künstlichen Dämmen verlaufende Erd- piste führt uns immer tiefer ins Sumpfgebiet. Eine fantas- tische Abenteuer-Strecke über ca. 140 km mit insgesamt 117 Holzbrücken einfachster Bauweise. Die Fotostopps er- reichen fast die Anzahl der Holzbrücken. Wir fahren während zwei Tagen durch einen grossartigen Freiluftzoo vom Feinsten. Besonders die vielfältige Vogelwelt versetzt uns ins Staunen.
Bereits auf den ersten paar Kilometern erblicken wir Kaimane in allen Grössen in unglaublicher Anzahl. An den letzten Wassertümpeln reihen sich Tier an Tier. Sie sind die Könige an den noch nicht ausge- trockneten Wasserstellen. Noch nie haben wir so viele Kaimane an den Ufern und im Wasser gesehen. Träge und aufmerksam ziehen sie sich zurück, gleiten ins Wasser, tauchen unter. Die meisten ver- harren mit geöffnetem Maul unbeweglich in der Morgensonne. Ein Naturschauspiel besonderer Art, wobei die Anzahl der Tiere kaum zu erfassen ist. Allein was wir entlang der Piste und von den Brücken erblicken können, glauben wir jetzt, dass es im Pantanal mehrere Millionen gibt. Man schätzt ihre Zahl gegen 35 Millionen Tiere.
Unser Versuch, am einem Tümpel die Kaimane zu zählen, scheiterte kläglich an der grossen Zahl und der Übersicht. Kaum vorstellbar! Der Tuiuiú oder Jabiru begegnet uns auf den nächsten 100 Kilo- metern fast pausenlos. Er ist das Symbol des Pantanals. Wir ent- decken mehrere Nester hoch in den Bäumen, wo die Jabirus ihre Jungvögel aufziehen. Unsere Reisegeschwindigkeit reduziert sich auf etwa 15 Kilometer in der Stunde. So können wir beidseits der Dammpiste die Landschaft im Auge behalten, denn auf der Strecke gibt es ausser ein paar kleinen Touristenbussen kaum Verkehr. Ganze Vogelkolonien ziehen ihre Brut auf, meist in der Nähe der noch verbleibenden Wasserstellen. Die kleinen und grossen Seen sind voll von Fröschen, Fischen und Krebsen. Hinzu kommt das fast ausgetrocknete Sumpfgebiet, das reiche Nahrung bietet. Durch das strenge Artenschutzabkommen sollen im brasilianischen Teil des Pantanals wieder mehrere Tausend Jaguare eine Heimat haben.
Noch haben wir keinen gesehen. Aber wir sind ja erst im Schutz- gebiet angekommen und bleiben ein paar Tage, trotz feucht heissen Temperaturen von 38 - 40 Grad. Besonders während der Trocken- zeit von Juni bis Oktober bietet die Transpantaneira ein einzig- artiges Naturschauspiel. In unseren Reiseunterlagen lesen wir, dass das Sumpfgebiet 260 Fischarten, 656 Vogelarten, 50 Reptilienarten und unzählige Schmetterlinge und Insekten beheimatet. Und mit etwa 1700 Pflanzenarten gibt es für den Botaniker eine Unmenge zu erforschen. Eine besondere Augenweide sind die zahlreichen Hyazinth-Aras, sowie der Hellrote Ara, die vor unserem Fahrzeug die Piste kreuzen oder nebenher fliegen.
Was die kleine Vogelwelt betrifft, ist die Namensuche ohne entsprech- ende Fachbücher für uns kaum möglich. Das riesige Netz von Wasser- läufen zwischen Poconé und Porto Jofre, fliesst mäanderförmig durch das Sumpfgebiet, wobei das Gefälle nur 2 - 3 cm pro Kilometer beträgt. Viele Seen sind völlig zugewachsen mit Wasserhyazinthen oder mit Wassersalat zugedeckt. Dazwischen gut getarnt entdecken wir Kaimanaugen und Wasserschweine.

Wo bleibt Kapitän Lopez?
Wir warten gespannt auf das Schiff von Kapitän Lopez, das uns am 23. September von Porto Jofre nach Corumbá mitnehmen soll. Die mehrtägige Flusstour wäre ein toller Abschuss. Doch der Kapitän lässt sich am 22. / 23. und 24. September nicht im Porto Jofre blicken, trotz Handschlag und Ab- machung. Nur ein exklusives Hotelschiff der oberen Preisklasse liegt vor Anker in Porto Jofre und dieses nimmt keine Fahrzeuge mit. Noldi, ein Schweizer der schon lange in Brasilien lebt meinte lächelnd: “Das ist Brasilien!“ Wir haben es begriffen, Brasilien tickt anders!
Der Jaguar im Dschungel vom Pantanal
Wir buchen eine eintägige Bootstour auf dem Rio Cuiabá. Morgens um 6 Uhr begrüsst uns Mauro unser Bootsführer. Nur zu Dritt fahren wir durch das gros- se, weitläufige Wasserlabyrinth und suchen entlang den Ufern nach Wildtieren. Hier kann man nur noch auf dem Wasserweg unterwegs sein, es gibt keine Strassen und Pisten mehr. Bereits nach kurzer Zeit sehen wir Schlangenhalsvögel, Halsring-Wehrvögel, Tukane, Wasserschweine, Kaimane, Olivenscharbe, Schmuckreiher, Jabirus, Fischbussarde, Ibisse, Eisvögel, Tigerreiher, Graureiher, Kormorane und zahlreiche grosse Greifvögel. Meist gut getarnt sitzen sie auf Bäumen entlang dem Flussufer. Doch unsere Augen suchten unentwegt den Dschungel ab nach dem begehrten Raubtier. Die Jaguare halten sich gerne in Wassernähe auf. Sie sind tag- und nachtaktiv. Die Flüsse bieten einen Überfluss an Nahrung. Auf ihrem Speisezettel stehen Wasserschweine, Pekaris, Hirsche, Vögel, Fische und andere Tiere.
Gegen 16 Uhr erblickten wir den ersten Jaguar, der auf einer kleinen Anhöhe über dem Fluss eine Siesta machte. In einem Abstand von ca. 30 Meter konnten wir die ersten Aufnahmen knipsen. Ein unglaubliches Gefühl rauschte durch unseren Körper. Einen Jaguar in dieser Grösse, da machen unsere Fotoherzen gleich Sprünge. Das schwank- ende Boot und die schlechten Lichtverhältnisse forderten uns heraus, etwas Erkennbares abzuspeichern. Den ruhen- den Jaguar konnten wir lange beobachten. Sein schönes Fell, seine Grösse und der wechselnde Gesichtsausdruck haben uns tief berührt. Nur unweit entfernt sahen wir einen zweiten Jaguar. Dieser lief die erhöhte Uferböschung ent- lang. Das Raubtier verschwand hinter Büschen und Bäumen und tauchte im nächsten Augenblick wieder auf.
Er suchte den Pfad am Fluss entlang und so konnten wir zwischen- durch ein Foto machen.
Das Fotoherz pochte. Die Kamera ruhig zu halten war ein Kunststück. Sein verschwin- den im Dschungel und das Auftauchen am Wasser machte die Beobachtung noch spannender. Nie hätten wir uns träumen lassen, diese Raubtiere in der freien Wildbahn vor die Linse zu kriegen. Wirklich ein unver- gessliches Erlebnis. Insgesamt sahen wir drei Jaguare, doch nur zwei konnten wir mit der Kamera festhalten. Als wir nach 11 Stunden aus dem Boot stiegen, waren wir überglück- lich! Porto Jofre ist wirklich ein guter Tipp.